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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition)
Autoren: Nicole C. Vosseler
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bewahren. Sie werden eines Tages zur Elite dieses Empires zählen.« Der Colonel hielt inne, um die Bedeutsamkeit seiner Worte hervorzuheben, und der Glanz in den Augen der Kadetten bestätigte ihn darin, dass er seine Zöglinge dort hatte, wo er sie haben wollte.
    »Es wird nicht nur Ihr Recht sein, Ihre Soldaten zu führen, sondern sogar Ihre Pflicht. Ihre Männer werden zu Ihnen aufschauen und erwarten, dass Sie ihnen sagen, was sie zu tun haben. Sie werden sie dazu bringen müssen, ohne Zögern ins Feuer zu springen und durch die Hölle zu gehen. Und das werden Ihre Männer nur dann tun, wenn sie davon überzeugt sind, dass Sie das ebenfalls tun würden. Ohne Zaudern, ohne Furcht. Im Krieg, Gentlemen«, sein Blick erfasste einen Kadetten nach dem anderen, »im Krieg ist nichts jemals wirklich sicher. Das Einzige, worauf Sie sich verlassen können, ist das, was sich in der Vergangenheit bewährt hat. Und das sind neben den Strategien, die Sie bei mir erlernen, die unumstößlichen Tugenden unserer Berufung wie unseres Standes.«
    Noch einmal legte er eine kurze Pause ein, und als er in seiner Ansprache fortfuhr, betonte er jedes einzelne Wort, verlieh den Silben ein metallisches Schwingen.
    »Mut. Tapferkeit. Härte. Ausdauer. Ehre . «
    Der Nachhall seiner Stimme blieb ein, zwei Pulsschläge lang in der Luft des Unterrichtsraums hängen, die nach Kreidestaub, mürbem Holz und feuchter Wolle roch.
    Als wäre die Abfolge genau einstudiert gewesen, ertönte in der Halle die schmetternde Tonreihe des Signalhorns und verkündete das Ende dieser Stunde. Unter dem Scharren von Schuhsohlen, dem schabenden Geräusch des steifen Sergestoffes von Hosen und Uniformröcken sprangen die Kadetten auf und salutierten in strammer Haltung.
    »Zwanzig Seiten zu diesem Thema bis nächste Woche. Guten Tag, Gentlemen.«
    Ein Aufatmen ging durch die Kadetten, und unter sofort einsetzendem Stimmengewirr packten sie ihre Schreibsachen und Lehrbücher zusammen, setzten ihre kreisrunden Kappen auf. Die erste Hälfte dieses Tages war überstanden; ein Dienstag, der sich in seinem Ablauf nicht von den übrigen Tagen unterschied:Weckappell um halb sieben und die erste Unterrichtsstunde eine halbe Stunde später, dann ein kurzes Frühstück und die routinemäßige Untersuchung durch den Militärarzt, Morgenappell, Reitunterricht und drei Theoriestunden hintereinander bis zum Lunch. Weitere Unterrichtsstunden und Leibesübungen füllten den restlichen Tag bis zum Abendessen um acht; allein am Samstag war ihnen ein freier Nachmittag gewährt.
    Leonard und Royston drängten sich zwischen den anderen Kadetten hindurch.
    »’tschuldige, wenn ich dir eben in den Rücken gefallen bin.«
    Mit einem entwaffnenden Grinsen ließ sich Leonard auf dem Tisch nieder, ein Bein fest am Boden, das andere locker über die Kante baumelnd. Seine nachlässig vollgestopfte Mappe stellte er auf dem Oberschenkel ab und ließ die Arme verschränkt darauf ruhen.
    Jeremy sah nicht auf, räumte weiter sorgsam Lineal, Füller und Bleistifte in die dafür vorgesehenen Fächer der speckigen Ledertasche. »Nicht der Rede wert. Ich bin durchaus fähig und willens, andere Meinungen gelten zu lassen.«
    Leonard lachte und machte eine halb entschuldigende, halb verständnisvolle Geste in Stephens Richtung, die dieser mit einem müden Heben der Schultern beantwortete. Derlei Anspielungen auf Geisteshaltung und Unterrichtsstil des Colonels kümmerten ihn nicht, und er verspürte auch keine Neigung, seinen Vater zu verteidigen.
    »Du kommst doch am Wochenende mit nach Givons Grove, oder, Jeremy?« Simon kam von seiner Bank herübergeschlendert und schlenkerte seine Tasche am Henkel neben sich her. Seite an Seite mit Royston, einem der Größten in der Kompanie, wirkte Simon, der das vorgeschriebene Mindestmaß von vierundsechzig Inches für die Aufnahme in Sandhurst nur knapp erreichte, noch kleiner, als er tatsächlich war, nachgerade schmächtig und wesentlich jünger als achtzehn.
    »Ja, das wollte ich dich auch schon –«, setzte Leonard an, brachaber ab, als er Wortfetzen aus einem Grüppchen aufschnappte, das sich gerade durch den Mittelgang auf ihn zu bewegte. Die Heiterkeit auf seinem Gesicht erlosch, und seine hellgoldenen Brauen zogen sich zusammen. Sein Bein schnellte vor und versperrte den Kadetten den Durchgang. »He, Highmore! Sag ruhig laut, was du eben so feige getuschelt hast! Oder hast du nicht genug Mumm?«
    Freddie Highmores blasse Augen wichen Leonards
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