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James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition)

James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition)

Titel: James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition)
Autoren: Ian Fleming
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Absonderlichkeiten war er aber in außerordentlich guter körperlicher Verfassung, und auch wenn sein Bildungsstand hoffnungslos niedrig war, verfügte er über eine natürliche Bauernschläue. Alle waren sich einig, dass Grant ein extrem gefährliches Mitglied der Gesellschaft war und man ihn am besten wegschließen sollte.
    Nachdem der Personalleiter des MGBs dieses Dossier gelesen hatte, wollte er gerade »Eliminieren« an den Rand schreiben, als er es sich anders überlegte.
    In der UdSSR muss viel getötet werden. Nicht weil der durchschnittliche Russe grausam wäre, auch wenn einige ihrer zugehörigen Rassen zu den grausamsten Völkern der Welt zählen, sondern als politisches Instrument. Personen, die gegen den Staat handeln, sind Staatsfeinde, und der Staat hat keinen Platz für Feinde. Man kann keine wertvolle Zeit auf sie verschwenden, und wenn sie sich als anhaltendes Ärgernis entpuppen, werden sie getötet. In einem Land mit einer Bevölkerung von zweihundert Millionen kann man jedes Jahr viele Tausende töten, ohne dass sie jemand vermisst. Wenn wie bei den zwei größten Säuberungsaktionen in einem Jahr eine Million Menschen getötet werden, ist das ebenfalls kein schwerer Verlust. Das Problem besteht vielmehr in einem Mangel an Scharfrichtern. Diese haben nur ein kurzes »Leben«. Die Arbeit laugt sie aus. Die Seele wird krank. Nach zehn, zwanzig oder hundert Todesröcheln wird ein Mensch, egal wie unmenschlich er sich verhält, vielleicht durch eine Art Osmoseprozess mit dem Tod selbst durch einen Keim des Todes infiziert, der in seinen Körper eindringt und sich wie ein Krebsgeschwür in ihn hineinfrisst. Er wird melancholisch und trinkt, und eine furchtbare Niedergeschlagenheit ergreift von ihm Besitz, die seinen Blick trübt, seine Bewegungen verlangsamt und seine Genauigkeit zerstört. Wenn der Arbeitgeber diese Zeichen bemerkt, hat er keine andere Wahl, als den Scharfrichter zu exekutieren und einen anderen zu finden.
    Der Personalleiter des MGBs war sich dieses Problems bewusst und suchte daher nicht nur stets nach raffinierten Meuchelmördern, sondern auch nach gewöhnlichen Schlächtern. Und hier war endlich der Mann, der in beiden Formen des Tötens bewandert zu sein schien, sich dieser Profession mit Leib und Seele verschrieben hatte und, wenn man den Ärzten Glauben schenken konnte, tatsächlich dafür bestimmt war.
    Der Personalleiter schrieb eine kurze bissige Mitteilung auf Grants Unterlagen, markierte sie mit
SMERSCH Otdiel II
und beförderte sie in den Ausgangskorb.
    Abteilung 2 von SMERSCH, die sich mit Einsätzen und Exekutionen befasste, übernahm die Person Donovan Grant, änderte seinen Namen in Granitski und legte ihn zu ihren Akten.
    Die nächsten zwei Jahre waren schwer für Grant. Er musste wieder in die Schule, noch dazu in eine, die dafür sorgte, dass er sich nach den abgenutzten Tischen in dem Schuppen sehnte, der vom Geruch kleiner Jungen und dem einschläfernden Summen von Fliegen erfüllt war, seiner einzigen Vorstellung von einer Schule. Doch in der Geheimdienstakademie für Ausländer bei Leningrad, dicht an dicht mit Deutschen, Tschechen, Polen, Balten, Chinesen und Negern, die alle mit ernsten und konzentrierten Gesichtern ihre Notizbücher vollschrieben, musste er sich mit Dingen herumschlagen, die für ihn nicht mehr als Kauderwelsch waren.
    Es gab Kurse in »Allgemeinem politischem Wissen«, die die Geschichte der Arbeiterbewegungen, der Kommunistischen Partei und der Industriemächte der Welt beinhalteten sowie die Lehren von Marx, Lenin und Stalin, alle mit ausländischen Namen übersät, die er kaum aussprechen konnte. Es gab Unterrichtsstunden mit dem Thema »Der Klassenfeind, den wir bekämpfen« und mit Vorträgen über Kapitalismus und Faschismus. Wochenlang drehte sich alles nur um »Taktiken, Agitation und Propaganda«, gefolgt von weiteren Wochen über die Probleme mit Minderheiten, Kolonierassen, Negern und Juden. Jeder Monat endete mit Prüfungen, in denen Grant dasaß und ungebildeten Unsinn kritzelte, der von Überresten halb vergessener Geschichtsstunden und falsch eingeprägter kommunistischer Parolen durchzogen war. Einmal wurde sein Prüfungsbogen sogar vor der ganzen Klasse zerrissen.
    Aber er stand es durch, und als sie zu den »Technischen Fächern« kamen, schlug er sich schon viel besser. Schnell verstand er die Grundlagen von Codes und Chiffrierungen, weil er sie verstehen wollte. Er war gut in Nachrichtenübermittlung, und begriff
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