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Isola - Roman

Isola - Roman

Titel: Isola - Roman
Autoren: Arena
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immer spitzeren Zähnen an seinen Nerven. Das Bild von Mirjam lehnte an einer leeren Wasserflasche, in die er eine Orchidee gesteckt hatte. Sie war weiß und ihr süßer Duft verursachte ihm plötzlich Kopfschmerzen. Er trank einen Schluck Kaffee und stellte verärgert fest, dass seine Blase drückte. Aber pinkeln gehen konnte er jetzt auf keinen Fall. Jede Sekunde konnten sie kommen, diesen Augenblick durfte er nicht verpassen. Er fixierte den Monitor, auf dem seit dem frühen Morgen die kleine Bucht eingeblendet war. Das Flirren der Nachmittagshitze hatte sichtlich nachgelassen, aber an die frische Luft würde er frühestens wieder in der Nacht gehen können, wenn überhaupt. Die Sonne stand tief am Horizont und ein leichter Wind ließ die Blätter der Bäume tanzen. Als er endlich das Boot Kurs auf die Insel nehmen sah, begannen seine Hände zu zittern.
    Da kamen sie also.
    Der große Moment, auf den er sich seit so langer Zeit vorbereitet hatte, war da. Das Boot lief am Ufer auf. Darling ging als Erste von Bord. Sie warf eine Kusshand in die Luft. Sein Blick blieb an der roten Handgelenkschiene hängen, erst dann musterte er ihr Outfit und nickte zufrieden. Das Tanktop war gut gewählt, es brachte Darlings wichtigsten Teil hervorragend zur Geltung.
    Als Zweiter stieg Joker aus. Er zog eine Grimasse, aber diesmal hatte der schlaksige Witzbold seine Mimik nicht unter Kontrolle. Er wirkte angestrengt und seine Bewegungen waren unbeholfen – im Gegensatz zu denen von Lung. Mit einem geschmeidigen Sprung hüpfte der kleine Chinese vom Boot, aber als er auf den Strand zuging, schienen sich auch seine Glieder anzuspannen.
    Als Nächstes kam Krys, die blasse Schönheit mit dem Feuerhaar. Gott, wie dünn sie war – und wie kalt.
    Die schwarze Pearl war da schon eher sein Typ, sinnlich, rund und erdig. Sie winkte dem Bootsführer zum Abschied. Es folgten die glatzköpfige Moon, der weißblonde Alpha und Milky, das Milchgesicht mit seinem Surfbrett unter dem Arm. Ihn würden sie mögen, vor allem die mollige Elfe, die jetzt nach seiner Hand griff, um sich aus dem Boot helfen zu lassen.
    Hinter Elfe kam Neander, groß und schwerfällig – und dann schoss das schwarze Ungetüm an Land. Mephisto, Raphaels Teufel auf vier Beinen. »Nein, nicht Raphael«, flüsterte er. »Solo.«
    Als er Solo sah, das schmale Gesicht mit den dunklen Augen und dem melancholischen Ausdruck, ging das Zittern auf seinen ganzen Körper über. Er versuchte, es wegzuräuspern, aber es gelang ihm nicht.
    Vera ging als Letzte von Bord. Ein Windzug wehte ihr das braune Haar aus dem Gesicht. Es reichte ihr bis über die schmalen Schultern. Ihre Haut war hell, aber nicht weiß, eher sandfarben, mit einem Hauch von Oliv. Sie war das einzige Mädchen, das nicht geschminkt war, und für einen Moment fragte er sich, wie es sich anfühlen würde, wenn man mit der Fingerkuppe über ihre Wange strich.
    Der Bootsführer hatte schon wieder Kurs auf das offene Meer genommen und auf dem Monitor war jetzt die ganze Bucht zu sehen. Mephisto raste über den Strand, aber niemand beachtete ihn. Für einen Moment sahen alle dem Boot hinterher, dann kam zögerlich Bewegung in die Gruppe. Sie inspizierten die winzige Bucht, den steilen Felszacken, der wie ein überdimensionales Segel in den Sandstrand ragte, und das vom Dickicht der Bäume gesäumte Ufer. Aber es war so deutlich, wonach jeder Einzelne von ihnen eigentlich Ausschau hielt. Nicht nach wilden Tieren oder fremden Gefahren. Sie suchten die Kameras – die auf sie gerichteten Augen. Alle wussten, dass sie da waren, aber keiner von ihnen konnte sie sehen. Zufrieden lehnte er sich zurück. Ja, ihre Nervosität war so spürbar, dass man sie fast mit Händen greifen konnte. Sogar Darling bewegte sich nicht so selbstbewusst wie sonst. Sie hatte die Schultern hochgezogen und fingerte an ihrer roten Handgelenkschiene herum, wobei sie sich wie ertappt umsah. Er lachte leise. Nein, dachte er, das hier war nicht gespielt. Das hier war echt.
    Im Dickicht der Bäume war ein schmaler Spalt. Lung entdeckte ihn als Erster und schlüpfte durch den grünen Vorhang ins Innere der Insel. Die anderen folgten ihm.
    Nur Vera blieb zurück. Sie zog ein Foto aus ihrem Rucksack und betrachtete es. Ihr Gesicht verzog sich wie im Schmerz, doch gleich darauf schien ihr wieder bewusst zu werden, dass sie beobachtet wurde. Hastig steckte sie das Foto zurück und ihr Blick irrte über das Gewirr der Mangrovenwurzeln, die wie glitschige
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