Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inspektor Jury lichtet den Nebel

Inspektor Jury lichtet den Nebel

Titel: Inspektor Jury lichtet den Nebel
Autoren: Martha Grimes
Vom Netzwerk:
Anruf seines Vorgesetzten, denn er nickte unentwegt. «Ja, ja, ja. Wir haben jeden verfügbaren Mann darauf angesetzt … Ja, ist mir auch klar, daß die ganze Stadt in Panik ist …» Schließlich legte Neal kopfschüttelnd auf.
    Jury fragte nur: «Wie weit ist es nach Wynchcoombe?»
    Neal antwortete verwundert: «An die vierzig Meilen.»
    Ein Wachtmeister – ein netter, junger Mann – zeigte Jury den Ort auf der Landkarte an der Wand. «Sicher wollen Sie zuerst ins Präsidium. Es liegt etwas außerhalb von Exeter.»
    «Was sollte ich da? Wie komme ich am schnellsten nach Wynchcoombe?»
    «Ich dachte nur, Sie würden sich auf dem Präsidium melden wollen, Sir», fügte der junge Mann leise hinzu.
    «Reine Zeitverschwendung.»
    Neal wühlte in den Papieren auf seinem Schreibtisch, es war nicht zu übersehen, daß er demnächst einmal aufräumen mußte. «Sie trampeln in Divisional Commander Macalvies Blumengarten herum, Mr. Jury.»
    «Und wenn es der Blumengarten des Kaisers von China wäre! In Dorchester ist ein Junge ermordet worden, in Wynchcoombe ein zweiter. Ich muß auf dem schnellsten Wege dorthin. Und der Divisional Commander wird dafür bestimmt Verständnis haben.»
    Der Wachtmeister blickte Jury nur an. Schließlich sagte er: «Mit dem hab ich mal zusammengearbeitet. Hab ein bißchen Scheiße gebaut, und dann –» Er zeigte seine Zähne und lispelte: «Zähne futsch. Alles Kronen.»
    Jury nahm die Landkarte, auf der der Wachtmeister ihm die Strecke markiert hatte. Wiggins beugte sich vor und begutachtete die Zähne. «Toll, Ihren Zahnarzt möchte ich haben.»

Z WEITER T EIL
    D IE K IRCHE
IM M OOR
     

3
    D ER SILBERNE K ELCH lag noch auf dem Boden der Sakristei, und die Flecken waren dunkel, denn dieser Wein war mit Blut und nicht mit Wasser vermischt. Vor Eintreffen der Spurensicherung hatte niemand den Kelch anfassen dürfen. Aber auch als die Männer ihre Arbeit getan hatten, wagte sich niemand daran. Die Labormannschaft der Polizei von Devon und Cornwall schien abergläubisch zu sein, denn sie hatte sich die Sakristei nur ungern vorgenommen. Und sogar der Polizeifotograf hatte sich beim Pastor dafür entschuldigt, daß er in der Kirche mit Blitzlicht arbeitete.
    Überall wimmelte es von Polizisten, ob uniformiert oder in Zivil. Sie durchsuchten den Chorumgang, das Kirchenschiff, die Sakristei. Wiggins und ein paar Polizisten nahmen sich den Dorfplatz vor der Kirche vor, dann den verlassenen Kirchweg, der auf der anderen Seite der Kirche zur Sakristeitür führte.
    Dr. Sanford, der Dorfarzt, war mit seiner Untersuchung fertig. Der Junge sei vermutlich seit zehn Stunden tot, sagte er. Der Pastor konnte es nicht fassen, daß die Leiche so lange dort gelegen haben sollte, aber erst vor drei, vier Stunden entdeckt worden war.
    Darüber wunderte sich auch Jury, der jetzt mit Detective Constable Coogan vor dem Altar stand. Er blickte zum Altar hoch, und in seinem Kopf herrschte Leere. Die Kirche von Wynchcoombe war wirklich schön. Trotz des hohen Turms wirkte sie von außen kleiner als von innen. Altarraum und Schiff waren zusammen mehr als dreißig Meter lang.
    Ihm wollte nichts einfallen, was die weinende Betty Coogan getröstet hätte. Sie könne nichts dafür, sagte sie, sie habe Davey und seinen Großvater, den Pastor von Wynchcoombe, gekannt: «Wie konnte jemand Davey White so was antun?»
    Eigentlich wäre Constable Coogan – rote Haare, hübsche Beine – eine Augenweide gewesen. Aber nicht in diesem Zustand.
    Es war Davey Whites klares Gesicht, das Jury am meisten erschüttert hatte – nicht Entsetzen war darauf abzulesen, sondern eher verschmitzte Überraschung. Daveys Mund war leicht geöffnet, ja, man konnte sagen, er lächelte, so als hätte er den plötzlichen Stoß für einen lustigen Streich gehalten. Da lag er nun, zehn Jahre alt, auch er ein Schuljunge, tot, und das zwei Tage, nachdem man Simon Riley gefunden hatte.
    Betty Coogan ließ sich über den Jungen in Dorchester aus. Sie putzte sich die Nase mit Jurys Taschentuch und schloß sich der Meinung der Polizei von Dorset an: Bei dem Mörder mußte es sich um einen Geisteskranken handeln. Mittlerweile war Jury schon eher geneigt, sich dieser Einschätzung anzuschließen, doch er hielt mit seiner Meinung zurück. Die Methode war jedenfalls die gleiche. Ein Messer in den Rücken. Ruck, zuck.
    Ein Mann von der Spurensicherung trat zu ihnen. «Wo zum Teufel steckt Macalvie?»
    Sie schüttelte den Kopf, kurz davor, erneut in Tränen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher