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Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom
Autoren: Ernest Hemingway
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Joseph. «Noch einen Gin and Tonic?»
    «Nein, danke.»
    «Mr. Roger ist mit dem Boot hereingekommen.»
    «Sehr gut. Ich werde nach ihm sehen.»
    «Wird er hier wohnen?»
    «Das kann sein.»
    «Ich mach auf alle Fälle ein Bett für ihn zurecht.»
    «Das ist das beste.»

3
    Thomas Hudson ging unter die Brause, seifte sich den Kopf und duschte sich unter dem beißend scharfen Strahl der Stechdusche. Er war großgewachsen, und nackt sah er noch größer aus als in Kleidern. Er war sehr braun, und sein Haar war von der Sonne streifig ausgebleicht. Er hatte kein überflüssiges Fett am Leib, und die Waage zeigte keine 175 Pfund an.
    Er dachte: Ich hätte vor dem Duschen schwimmen gehen sollen. Aber ich hab ja heute früh schon mal gebadet, vor der Arbeit, und jetzt bin ich müde. Wenn die Jungen erst da sind, kann ich noch genug schwimmen. Gut, daß Roger auch da ist.
    Er zog sich saubere Shorts an und einen alten quergestreiften Pullover und Mokassins, verließ das Haus, ging den Hang hinunter und durchs Gattertor, und dann schritt er über den weißgleißenden Korallen-Schotter von King’s Highway hin. Ein Stück vor ihm trat aus einer von den ungestrichenen Bretterhütten am Straßenrand, die im Schatten zweier großer Kokospalmen stand, ein alter Neger in einer schwarzen Kattunjacke und scharf gebügelter Hose und bog, hoch aufgerichtet, in den Highway ein. Thomas Hudson sah sein schönes schwarzes Gesicht, als er sich umdrehte. Hinter der Hütte sang ein Kind ein altes englisches Spottlied:

    «Onkel Edward kam aus Nassau,
    wollte uns Bonbons andrehn.
    Ich kauf welche, und P. H. kauft welche,
    und wir mußten kotzen gehn…»

    Und Onkel Edward sah sich um mit seinem schönen Gesicht, das im hellen Nachmittagslicht traurig und vergrämt aussah.
    «Ich weiß, wer du bist!» sagte er. «Auch wenn ich dich nicht sehen kann, weiß ich, wer du bist, und ich sag es dem Constable.»
    Aber das Kind sang weiter mit seiner hellen, hohen Stimme:

    «O Edward,
    o Edward,
    mach dich nicht so mausig, Onkel Edward,
    denn die Bonbons sind lausig…»

    «Ich sag’s dem Constable», sagte Onkel Edward, «der weiß dann schon Bescheid.»
    «Hast du wieder welche von deinen lausigen Bonbons, Onkel Edward?» rief das Kind. Es war vorsichtig und ließ sich nicht blicken.
    «Die Menschheit ist verloren…» sagte Onkel Edward mit lauter Stimme, während er weiterging. «Die Würde des Menschen ist verdorben und zerpflückt. O Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.»
    Den King’s Highway weiter hinunter wurde auch gesungen; der Gesang kam aus dem ersten Stockwerk des Ponce de León. Ein Neger junge kam den Korallenweg heruntergerannt. Er rief:
    «Es hat ‘ne Schlägerei gegeben, Mr. Tom, oder so was. Der feine Mann von der Yacht schmeißt Sachen aus dem Fenster.»
    «Was für Sachen, Louis?»
    «Alles mögliche, Mr. Tom. Der feine Herr schmeißt mit allem, was ihm in die Finger kommt. Die Dame will’s ja nicht, aber der feine Herr sagt, daß er die Dame auch hinausschmeißen will.»
    «Wo ist der feine Herr denn her?»
    «Irgendso ein Reicher aus dem Norden, behauptet, daß er unsere ganze Insel verschachern kann. Wenn er noch lange um sich schmeißt, kriegt er sie wohl billiger.»
    «Und der Constable macht nichts dagegen, Louis?»
    «Nein, Sir… Mr. Tom. Der weiß es ja noch nicht. Aber alle denken, daß es jetzt bald Zeit wird.»
    «Arbeitest du für die, Louis? Ich brauche morgen ein paar Köderfische.»
    «Ja, Sir, Sie kriegen Ihren Köder, Mr. Tom. Machen Sie sich keine Sorge um den Köder. Bis jetzt bin ich mit ihnen klargekommen. Die haben mich angestellt, sie wollten Thunfisch fangen, heute früh, und seitdem bin ich bei ihnen. Nur daß aus den Thunfischen nichts wird. Nein, Sir. Jedesmal, wenn sie nicht gerade mit Tellern, Tassen, Gläsern und Stühlen schmeißen, geht Mr. Bobby hinauf und bringt die Rechnung, und der Mann zerreißt die Rechnung und nennt Mr. Bobby einen Bastard und gemeinen Gauner, und mit dem Thunfischfangen ist es Essig.»
    «Der Mann ist, scheint’s, ein bißchen schwierig, Louis.»
    «Mr. Tom, das ist der gottverdammteste Mann, den Sie gesehen haben. Ich hab schon singen müssen, ihnen vorsingen. Sie wissen ja, ich sing gar nicht so gut wie Josey; ich singe eben, wie ich singen kann, und manchmal sing ich auch ein bißchen besser, als ich kann… Sie wissen, wie’s ist. Sie haben mich singen hören. Aber alles, was der hören will, ist bloß dieses
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