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Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)
Autoren: Nora Roberts
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viel Kaffee trinken.«
    Er warf ihr einen Blick zu und sah, daß sie gar nicht zuhörte. Sie ist mit den Gedanken schon wieder woanders, dachte Bobby. Wie so oft in letzter Zeit. Er sollte es besser aufgeben, seine Mentorin zu einer gesünderen Lebensweise bekehren zu wollen. Aber einen Versuch wollte er noch riskieren.
    »Du hast dich wieder von Zigaretten und Kaffee ernährt, stimmt’s?«
    »Ja.« Gedankenversunken und halb schlafend hing sie auf dem Schemel.
    »Das Zeug wird dich noch umbringen. Und außerdem brauchst du mehr Bewegung. Du hast in den letzten Wochen fast zehn Pfund abgenommen und bist viel zu dünn für deine Größe. Bei deinen leichten Knochen neigst du zu Osteoporose. Du mußt deine Knochen und Muskeln stärken.«
    »Hm-hmm.«
    »Du solltest mal zum Arzt gehen. Wenn du mich fragst, hast du Anämie. Du bist ganz blaß, und in deine Tränensäcke könntest du deine halbe Ausrüstung packen.«
    »Nett, daß du das bemerkt hast.«
    Er hob die größten Scherben auf und warf sie in den Papierkorb. Natürlich hatte er es bemerkt. Ihr Gesicht zog die Blicke auf sich. Er hatte sie nie geschminkt gesehen. Ihr Haar trug sie meist zurückgebunden, aber jeder, der ein halbwegs gutes Auge besaß, konnte erkennen, daß sie es mit ihrem ovalen Gesicht mit den hohen Wangenknochen, den exotischen Augen und dem sinnlichen Mund besser offen tragen sollte.
    Bobby fühlte, wie seine Wangen heiß wurden. Sie würde ihn auslachen, wenn sie wüßte, daß er ganz zu Beginn, als er
gerade bei ihr angefangen hatte, ein bißchen in sie verknallt gewesen war. Inzwischen wußte er, daß es sowohl berufliche Bewunderung als auch körperliche Anziehung gewesen war. Über das mit der körperlichen Anziehung war er hinweg. Fast jedenfalls.
    Aber kein Zweifel: Wenn sie nur das Geringste tun würde, um ihren Magnolienteint zu betonen, wenn sie nur ein bißchen Farbe auf ihren sinnlichen Mund und die länglichen Lider gegeben hätte, dann hätte sie einfach umwerfend aussehen können.
    »Ich könnte dir Frühstück machen«, sagte er. »Falls du außer Schokoriegel und dem knatschigen Toast irgendwas im Haus hast.«
    Jo atmete tief durch. »Nein, ist schon in Ordnung. Wir können unterwegs eine Kleinigkeit essen. Ich bin schon spät dran.«
    Sie ließ sich vom Hocker gleiten und bückte sich nach der Post.
    »Eigentlich könntest du dir’s doch leisten, mal ein paar Tage auszuspannen und gar nichts zu tun. Meine Mom kennt da eine tolle Fitneß-Farm in Miami.«
    Seine Worte drangen nur noch als Summen an ihr Ohr. Sie hob den Umschlag auf, auf dem in säuberlichen Druckbuchstaben ihr Name stand. Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn. Der Umschlag war dicker und schwerer als die anderen zuvor. Wirf ihn weg , sagte ihr der Verstand. Mach ihn nicht auf. Schau nicht rein.
    Aber ihre Finger berührten schon die Klappe. Diesmal ergoß sich eine Flut von Fotos auf den Boden. Sie hob eines auf. Es war ein gut gemachter Schwarzweißabzug.
    Diesmal nicht nur ihre Augen, sondern eine Ganzkörper-Aufnahme. Sie erkannte den Hintergrund – ein Park ganz in der Nähe, wo sie oft spazierenging. Ein anderes Foto zeigte sie in der Innenstadt von Charlotte, an der Bordsteinkante stehend, die Kameratasche über der Schulter.
    »Hey, das ist ein tolles Bild von dir.«
    Als sich Bobby bückte, um nach dem Abzug zu greifen, schlug sie nach seiner Hand und fuhr ihn an: »Finger weg. Faß bloß nichts an.«
    »Jo, ich …«
    »Komm mir bloß nicht zu nah.« Keuchend ließ sie sich auf alle viere fallen und durchwühlte hektisch die Abzüge. Alle zeigten sie bei ganz gewöhnlichen, alltäglichen Dingen. Mit Tüten beladen aus dem Supermarkt kommend, in ihr Auto steigend oder den Wagen verlassend.
    Er ist überall, er beobachtet mich. Wo ich auch bin, was ich auch tue. Er jagt mich, dachte sie, und ihre Zähne begannen aufeinanderzuschlagen. Er jagt mich, und ich kann nichts tun. Nichts, außer …
    Dann schaltete alles in ihr ab. Das Foto in ihrer Hand zitterte, als wäre eine plötzliche Bö in den Raum gefahren. Sie konnte nicht schreien. Sie schien keine Luft mehr in den Lungen zu haben.
    Sie spürte ihren Körper nicht mehr.
    Das Foto war brillant aufgenommen. Meisterhafter Umgang mit Licht, Schatten und Struktur. Sie war nackt, ihre Haut glänzte unwirklich. Ihr Körper war in einer Ruhepose arrangiert, das zerbrechliche Kinn nach unten gerichtet, der Kopf leicht angewinkelt. Ein Arm war über ihre Taille drapiert, der andere wie im Schlaf
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