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Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas
Autoren: Stefanie Gercke
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ihren eigenen Stammesgenossen rund um die Uhr von Bodyguards bewacht werden zu müssen?« »Na ja, - so ähnlich.«
    »Lukas Ntuli, Isabellas Mann, war einundneunzig in Stockholm als Mittler bei irgendwelchen Geheimverhandlungen zwischen dem ANC und Inkatha. Scheint nichts gebracht zu haben.« lan hob seine Stimme.
    Neu schüttelte den Kopf. »Auf der obersten Ebene der Parteiführung sind sich alle einig, aber die Basis, die Masse, ist außer Rand und Band geraten. Die Zulus würden sich als Nation am liebsten von Südafrika abspalten und ihr Königreich allein regieren, und das passt der ANC-Regierung natürlich nicht. -
    Im Gegenteil, anstatt eine echte Föderation aus Südafrika zu machen, entmachten sie die Provinzfürsten, die Ministerpräsidenten, immer weiter, und auch den traditionellen Häuptlingen der einzelnen Stämme beschneiden sie die Flügel. Die allerdings haben immer noch den größten Einfluss.« Das darf nicht sein! Henrietta starrte aus dem Fenster. Sie fuhren in dichtestem Verkehr auf der Stadtautobahn, rechts und links der Straße krochen Slums - Wellblechteile und Plastikplanen zu windschiefen Hütten zusammengefügt - wie alles verschlingende Amöben über die grünen Hügel auf die Straße zu. Es musste vor einiger Zeit geregnet haben, die Plastikplanen hatten dicke Wasserbäuche. Es wimmelte von Menschen zwischen diesen elenden Behausungen, unzählige Kinder spielten in den Müllhaufen, die sich unmittelbar neben den Hütten aufhäuften.
    Am Rand der Slums wucherten Bou-gainvilleas und großblättrige Elefantenohren, die Überreste städtischer Grünanlagen. Darüber wölbte sich ein unschuldig blauer Himmel. War das Afrika heute? »Das sind alles Zulus?«, fragte sie ungläubig.
    »O nein«, antwortete Neil, »nein, absolut nicht. Weißt du, Südafrika ist jetzt das gelobte Land Afrikas, und sie strömen zu Zigtausenden aus dem Norden illegal über die Grenzen, selbst aus Guinea kommen sie herunter, quer durch den ganzen Kontinent. Es sind Menschen, die unvorstellbar grausame Kriege überlebt haben, Hungersnöte, Krankheiten. Die haben nichts zu verlieren, und sie sind Überlebenskünstler. Sie handeln mit allem, mit Drogen, Waffen, Schmuggelware, und überall, wo Geschäfte zu machen sind, sind sie dabei. Sie stehlen unseren Leuten die Jobs, weil sie für einen Hungerlohn arbeiten, unsere Schwarzen haben keine Chance gegen sie, auch die 502
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    Regierung scheint machdos zu sein«, er sah lan an, »ihr in Deutschland habt doch ähnliche Probleme, wie ich gehört habe.« »Man munkelt, dass sie den elektrischen Zaun an der Grenze zu Mo-sambik wieder aktivieren wollen.« Es war das erste Mal, dass Sa-mantha sprach. »Sie hatten den Strom nach dem Regierungswechsel abgestellt«, erläuterte sie.
    lan hatte bisher nichts gesagt. In einem Arm hielt er Olivia, den anderen hatte er fest um die Schultern von Henrietta gelegt, die in Schweigen versunken war. »Vor vielen, vielen Jahren habe ich einmal einen Film gesehen, den ich nie wieder vergessen habe«, begann er nachdenklich, »es ging um die Zukunft der Menschheit. Es gab die hier drinnen und die da draußen. Die hier drinnen lebten luxuriös unter Glas in einer künstlichen Atmosphäre, die da draußen waren elende, zerlumpte Gestalten, die in einer völlig zerstörten Welt vegetierten. Die drinnen hatten ewig Angst, dass die von draußen in ihre schöne Welt eindringen und sie übernehmen könnten.« Eine Gruppe schwarzer Jugendlicher sauste zwischen den fahrenden Autos hindurch. Neil fluchte und drückte anhaltend auf die Hupe. Einer der Schwarzen kam zurück, schlug mit der flachen Hand auf seine Motorhaube und zeigte ihm den Mittelfinger. Der Schlag donnerte durchs Auto, und Olivia fing an zu weinen. Das schwarze Gesicht presste sich an die Windschutzscheibe, eine hassverzerrte Fratze, die Augen schienen in Blut zu schwimmen, so sehr war das Weiß der Augäpfel gerötet. Die Sonnenbrille hatte er auf die Stirn geschoben, ein großer goldener Ohrring baumelte im linken Ohrläppchen, die schwarzen Nietenlederhosen saßen hauteng.
    Auf dem weißen T-Shirt spannten sich die Worte »Shit is heaven« - Heroin ist das Himmelreich - über die schmale Brust. Henrietta fuhr zurück. Neil bediente die Zentralverriegelung, trat aufs Gas, und der Wagen machte einen Satz vorwärts. Mit dem Kotflügel berührte er den Jugendlichen, der zur Seite geworfen wurde, nicht schlimm, er fiel nicht einmal hin, aber es genügte. Ein schriller Pfiff von ihm,
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