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Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition)

Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition)

Titel: Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition)
Autoren: Ingeborg Gleichauf
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eine Musik.
    Die Schlüssel, die Teeschalen, den Brotkorb, Leintücher und ein Bett.
    Eine Aussteuer von Worten, von Gesten, mitgebracht, verwendet, verbraucht.
    Eine Hausordnung beachtet. Gesagt. Getan. Und immer die Hand gereicht. 1

Asphalt oder blaue Gletscher
    Am anderen Morgen verließ er Ragusa. Nochmals
lag das Meer in silbriger und makelloser Zartheit,
und makellos war auch die Riesenmuschelbläue,
die es überwölbte. 1

Poesie und Theatralik
    Die Callas – ja, wann hat sie gelebt, wann wird sie
sterben? – ist groß, ist ein Mensch, ist unvertraut
in einer Welt der Mediokrität und der Perfektion. 1

Rom 1961
    Unter sprudelnden römischen Brunnen spricht Max Frisch in eine Fernsehkamera und erzählt, er lebe in Rom, der »herrlichsten Stadt der Welt«, und dies sei eine »sehr glückliche Situation«. 2 In dieser herrlichsten Stadt wollen Ingeborg Bachmann und Max Frisch im Frühjahr 1961, nachdem sie gemeinsam anlässlich Frischs fünfzigstem Geburtstag eine Griechenlandreise gemacht haben, umziehen und sind auf der Suche nach der herrlichsten Wohnung. Sie treffen sich mit einem Makler, der die Wohnung einer Baronessa im Angebot hat, die beiden illustren Persönlichkeiten genau betrachtet und anmerkt, die Baronessa könne ihnen vielleicht doch einen amerikanischen Botschafter vorziehen. Ingeborg Bachmann reagiert bestürzt, als sei eine solche Vorstellung ganz und gar nicht im Bereich des Möglichen, dann blickt sie den Makler entgeistert an und sagt zu ihm, er müsse wissen, sie seien Schriftsteller, »siamo scrittori« 3 . Ein Zauberwort, gesprochen von einer Prinzessin in ihrem ganzen Glanz, und bitte sehr, wer könnte einem solch glänzenden Zauberwesen einen Wunsch abschlagen? Die große theatralische Geste, hier ist sie, in der Form einer einerseits gespielten, aber andererseits ebenso echten Bestürzung. Und das wirkt auch auf einen römischen Immobilienmakler offenbar überzeugend, bühnenreif. Als gebe es nichts Spektakuläreres als zwei Schriftsteller, die auf der Suche nach einer gemeinsamen Wohnung sind, als sei es sonnenklar, dass bei ihrem Auftreten alle anderen Bewerber notwendig in die zweite Reihe zu treten hätten.
    Ingeborg Bachmann, eine Diva der Dichtkunst: Auch das ist eine Rolle, aber eine, in die man sie nicht nur gezwungen, sondern die sie sich auch selbst zugesprochen hat. Es gefällt Max Frisch, dem Theaterbegeisterten, dass er es mit einer Dichterin zu tun hat, die sich bewegt, als sei das Theater, die Bühne ihre Heimat, was großartige Gebärden und sprechende Gesten nahelegen. Eine Kunstfigur, die höchst lebendig ist, mit Zeichen des Lebendigen nur so um sich wirft, in vulkanischer Manier Feuer spuckt. Sie erregt Aufsehen, wo immer sie auftritt, in den Straßen, in den Cafés, den Restaurants. Der Schriftsteller Hermann Burger beschreibt ihr Äußeres bei einem Treffen in Rom: »hellblauer Rollkragenpulli, weiße, reich bestickte, fast glitzernde, eng anliegende Hosen. Halb Zirkusartistin, halb Mannweib.« 4 Bachmann hat genug Glanz, um auch den Mann an ihrer Seite auszustatten mit einem besonderen Flair. So festlich gestimmt wie mit Bachmann in Rom wirkt Frisch nie wieder, keine andere Frau vermag es, ihn derart mit Glanz zu überschütten. Er übernimmt seinen Part im Doppelrollenspiel, das Bachmann erfunden hat. Ihm ist es fast ein wenig zu viel, aber er genießt es auch. Die Dichterin Ingeborg Bachmann ist kein Aschenputtel, kein graues Mäuschen, das in einem Kellerloch haust, im Schreiben alles andere vergisst, sondern sich dessen bewusst bleibt, dass das Leben inszeniert werden will, und wenn das schon gefordert wird, warum soll man dann nicht den Part der Königstochter übernehmen. Der Prinz Max an ihrer Seite hat seine Freude an diesem Rollenspiel, auch wenn die Königstochter dauerhaft auf ihre Freiheit pocht. Sie erobert sich diese Freiheit immer neu, verteidigt sie und provoziert Eifersucht, natürlich. Aber das gehört zum Spiel. Frisch hat sich dafür entschieden. Rom bietet die große Bühne für den gemeinsamen Auftritt. Das Rom, das sie durchstreifen, in dem sie gemeinsam wohnen, ist nicht das Rom von jedermann, nicht das Rom der Touristen. Es ist vor allem ihr, Ingeborg Bachmanns Rom, und Max Frisch ist der Mann, der mit ihr durch ihre Stadt geht, eine neue gemeinsame Wohnung sucht.
    Das Dichterprinzenpaar bekommt die Wohnung, Via de Notaris 1F, auf einem Hügel über der Stadt, gegenüber der Villa Borghese, zweistöckig, edel ausgestattet, Terrasse
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