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Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition)

Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition)

Titel: Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition)
Autoren: Ingeborg Gleichauf
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ins Lesen und Schreiben. Die Sprache ist fortan der Zauberstab, der berührt, nicht mehr die Teiche und die »Gärten voll Goldregen« 7 . Max Frisch wird nicht herausgerissen aus dem Zauberhaften der Kindheit. Er hat fast zu viel davon und sucht das Dramatische, Wilde, die Gefahr.
    Ein interessantes Detail ist, dass Ingeborg Bachmann nun in Max Frisch einen Mann an ihrer Seite hat, der sich schon sehr früh mit der »Problematik« der künstlerischen Frau auseinandergesetzt hat, auf höchst amüsante Weise: Als junger Journalist nämlich erfindet Frisch eine Künstlerin, eine echte Diva: Greta Garbo. In einem Artikel für die Neue Zürcher Zeitung vom 14. Juli 1932 schreibt der einundzwanzigjährige Max Frisch über die Liebe des Büroangestellten Magnus Klein zu Greta Garbo. Magnus Klein ist sich sicher, dass die Garbo von der Leinwand herab auf ihn schaut, nur ihn anlächelt. Dass sie ihn heiraten werde, aber dann könnte sie ja nicht mehr Künstlerin sein. Die Leidenschaft zu einem normalen Menschen würde sie aus ihrer Kunst herausreißen. So bleibt ihm die Bewunderung aus der Ferne, sein Geheimnis, und er ist glücklich damit. Eine Künstlerin kann kein Alltagsleben führen. Davon ist Herr Klein überzeugt. Eine Künstlerin kann keine Beziehung eingehen zu einem, der als Büroangestellter arbeitet.
    In seiner Liebe zu Ingeborg Bachmann erlebt Frisch den kreativen Prozess einer Künstlerin zum ersten Mal im privaten Leben aus nächster Nähe. Aber woran Ingeborg Bachmann arbeitet, ist nicht die »Selbstdarstellung der Frau«, wie er so gern glauben möchte. Er lernt »die Frau« nicht besser kennen, indem er mit Ingeborg Bachmann zusammenlebt. Im Gegenteil, seine Verwirrung in dieser Hinsicht wächst. Und vielleicht geht es ihm eine Zeit lang wie Magnus Klein: Er hat Angst, die Dichterin aus ihrer Kunst zu reißen und hinein in ein Leben mit ihm. Aber er kann nicht mehr existieren ohne sie. Was er einst entworfen hat, gilt für ihn selbst nicht. Die Geschichte von Magnus Klein war Fiktion. Seine persönliche Erfahrung lehrt ihn anderes. Er gehorcht nicht dem, was er einst geschrieben hat. Kein literarischer Entwurf weiß mehr als die authentische Erfahrung.
    Als Ingeborg Bachmann wieder unterwegs ist und in Zürich weilt, um zu arbeiten, hält er es einmal mehr nicht aus ohne sie, er setzt sich ins Auto, fährt ohne größere Pause durch, überquert den Gotthard, kommt irgendwann völlig übermüdet an, wünscht sich nichts sehnlicher, als eine selige Überraschung in ihren Augen lesen zu können, und bekommt von ihr lediglich die Frage serviert, warum er denn nicht angerufen habe. Er hat die Künstlerin gestört und hätte wohl besser gehandelt wie sein Protagonist Magnus Klein.
    Muss Frisch eine solche Erfahrung wirklich machen? Muss er sich dieser Demütigung aussetzen? Er muss es offensichtlich, sonst würde er sich diesen Schmerz versagen. Vor der Geliebten zu stehen wie ein Trottel, nach zwölfstündiger Autofahrt über die Alpen. Das ist die eine Seite. Und die andere? Ingeborg Bachmann wird später schreiben in einem Gedicht über den Jubel, den das Läuten an der Tür ausgelöst habe bei ihr, immer wieder. Meint sie Frisch damit, wen meint sie? Vom Seeblick ist im genannten Gedicht die Rede, also wird sie wohl Frisch und den Zürichsee meinen. Kann sie nicht nachspüren, was es heißt, eine solche Autotour zu unternehmen, in der Nacht und in die größte Übermüdung hinein? Mondän und elegant sieht er bestimmt nicht aus nach einer solchen Mordstour. Man sieht ihm an, was er hinter sich hat. Und er hat keine Scheu, sich so der Geliebten zu zeigen, denn er kann nicht anders, da muss sie doch sehen, wie groß seine Sehnsucht ist.
    An diesem frühen Morgen macht Frisch in Zürich, seiner Heimatstadt, eine Erfahrung, die er absolut nicht versteht. Er wird sie unterbringen müssen in einer Geschichte, verwandelt. Er muss sich retten, irgendwie.
    Max Frischs Hilflosigkeit wächst. Immer häufiger gibt es fast beängstigende Momente. Frischs Ankommen in Zürich nach seiner nächtlichen Sehnsuchtsfahrt beschert ihm solch einen Moment. Nein, diese Frau, diese Geliebte wird er nie von außen betrachten können. Realität und Fiktion der Liebesbeziehung lassen sich längst nicht mehr voneinander unterscheiden. Frisch macht die Erfahrung, dass ein Mensch, eine Frau, ihn völlig ausfüllt, und dem ist mit Vernunft nicht beizukommen. Das enge Zusammenleben in einer Wohnung, auch wenn es eine fast königliche
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