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Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition)

Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition)

Titel: Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition)
Autoren: Ingeborg Gleichauf
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wo wirklich geliebt wird und wo dem künstlerischen Entwurf von Liebe ein Stück real gelebter Liebe nachgetragen wird. Der Geliebte aber bleibt zurück, erkennt sich nicht wieder in diesem Spiel, vermisst die Aufmerksamkeit seiner individuellen Gestalt, der tatsächlichen Person gegenüber.
    Leben und Schreiben: Ingeborg Bachmann hatte nicht die Wahl. Sie musste sich nicht entscheiden, ob sie den einen oder anderen Beruf wählen sollte. Zwar hat sie zunächst komponiert, aber sie merkte sehr schnell, dass das Talent nicht reichte. Die Lust am Komponieren hat sie in ihr Schreiben hinübergerettet: Alle ihre Werke sind streng komponiert, und die intertextuellen Bezüge zu diversen Komponisten wie Mahler, Schönberg, Beethoven, Wagner und zu bestimmten Musikstücken sind vielfältig.
    Bei Frisch gab es Unsicherheiten in der Berufswahl. Er war lange Zeit unschlüssig, für welche Existenzform er sich entscheiden sollte, die des Architekten oder die des Schriftstellers. Er hatte unter dem Reißbrett Zettel, auf die er Notizen schrieb. Und er hat seine architektonischen Projekte mit viel Intelligenz, spielerischer Experimentierfreude und Liebe zum Detail geplant. Er hatte einen ordentlichen, bürgerlichen Beruf und hat geheiratet, eine Familie gegründet, drei Kinder bekommen. Auch wenn es da ein Zimmer gab unter dem Dach, eine Schreibmansarde, in der er ungestört seinen schriftstellerischen Entwürfen nachhängen konnte: Eine fünfköpfige Familie hat man nicht einfach so, das bricht nicht über einen herein, das muss man auf irgendeine Art wollen. Diese Lebensweise fordert zumindest ansatzweise einen Sinn fürs Praktische, für Strategien der Alltagsbewältigung, für eine eher bürgerliche Lebensform. Und gerade der Bürger in Frisch erfindet die Frau, die er liebt, so wie es Bürger immer getan haben.
    In Frischs Erfindungsreichtum liegt eine Großspurigkeit, die nicht ganz echt ist, denn er will Erfahrungen machen, will wissen, wie es sich wirklich verhält mit den Männern und den Frauen. Aber sobald ihn die Ahnung überkommt, die Wirklichkeit könne sein Fassungsvermögen übersteigen, dann erfindet er die Frau lieber. Hier ist Frisch gar nicht so besonders, sondern sehr normal. In seiner Ehe mit Gertrud von Meyenburg hat sich Frisch ein gemütliches Heim geschaffen. Wer in der Küche steht, ist von vornherein geklärt. Frischs Ehefrau hat sich entsprechend dem Bild verhalten, das er von ihr entworfen hat.
    Wie hart der Alltag sein kann, weiß Max Frisch. Mit seiner Mutter ist er als Kind in den Wald gegangen, Kräuter pflücken, Eicheln sammeln. Nicht aus Vergnügen, sondern weil die Familie Zeiten erlebte, in denen das Geld äußerst knapp war. Indem er Gertrud von Meyenburg heiratete, hat er einen gesellschaftlichen Aufstieg erlebt, aber mit weniger Alltäglichkeit war sein Leben damit nicht befrachtet, im Gegenteil. Durch die Geburt der Kinder kam eine neue Verantwortungsebene hinzu. Diese Rolle hat er ein paar Jahre ausgefüllt.
    Ingeborg Bachmann hingegen lebte von Kindheit an weniger mit den Menschen ihrer Umgebung als in Büchern und in der Musik. Sie wollte schon als junges Mädchen alles andere als »normal« sein und bemühte sich nicht darum, von den anderen verstanden zu werden. Sie erbaute sich ihre eigene Welt, galt als eine Art Exotin und lebte danach. Und bevor sie mit dem Studium begann, bei Kriegsende, schrieb sie in ihr Tagebuch, sie habe sich einen Sessel in den Garten gestellt, um zu lesen. Sie habe sich fest vorgenommen weiterzulesen, sogar wenn die Bomben kommen sollten. Ihre Lektüre: Das Stundenbuch von Rilke und Gedichte von Baudelaire. Wie »in einer Viehherde« 4 unterzugehen wäre für sie das Schlimmste. Als Bachmann 1945 den britischen Besatzungssoldaten Jack Hamesh, einen Wiener Juden, dem 1938 die Emigration gelang, kennenlernte, sich mit ihm befreundete, waren es vor allem die Gespräche über Literatur, die sie begeisterten. Thomas Mann, Hofmannsthal, Schnitzler, Stefan Zweig heißen die Autoren, um die es vorwiegend ging. Sie eckte an mit dieser Beziehung, die Verwandtschaft tratschte, und ihre Mutter hatte kein Verständnis dafür, dass ihre Tochter sich so gut verstand mit »dem Juden« 5 . Dass Hamesh ihr die Hand küsste, das war für sie ein Vorgeschmack auf Wien, auf die große Welt, in der es nicht eng und spießig zuging wie in der Heimat. Ingeborg Bachmann träumte vom Aufbruch in eine Welt, in der es selbstverständlich ist, sich mit Literatur zu befassen, Gespräche
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