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In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)

In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)

Titel: In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Christiane Fux
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er sicher auch als Toter krank vor Eifersucht sein.
    Den Weg zurück zu seinem Häuschen nahe am Friedhof ging er gemäßigten Schrittes. Mitunter waren auch früh am Morgen schon alte Damen unterwegs, die Unkraut von den Gräbern ihrer Verblichenen zupften. Da fand er Joggen etwas pietätlos – zumal in seiner Eigenschaft als Bestatter.
    Zweieinhalb Stunden später stand er nervös in der Ankunftshalle des Hamburger Flughafens und kam sich mit seinem großen Blumenstrauß ziemlich albern vor. Auf der Anzeigetafel las er, dass die Maschine aus Kapstadt bereits gelandet war. Theo versuchte auszurechnen, wie lange die Passagiere brauchen würden, um die endlosen Gänge bis zur Gepäckausgabe zu marschieren. Und wie lange es anschließend dauern würde, bis das Gepäckband Hannas Koffer ausspuckte. Wahrscheinlich noch eine halbe Stunde. Sein Mund war trocken, aber er wollte jetzt auch nicht weggehen. Womöglich verpasste er sie dann noch. Die Anzeigetafel sprang um und jetzt blinkte »Gepäck« hinter dem Flieger aus Kapstadt. Er straffte sich. Jedes Mal, wenn sich die Türen zur Halle öffneten und Menschentrauben daraus hervorquollen, stieg seine Spannung und gleich darauf wurde er enttäuscht.
    Als sie endlich auftauchte, sah er sie sofort. Ihre tiefschwarzen Locken waren wie üblich wild und zerzaust. Hanna, dachte Theo, endlich! Sie zerrte einen großen Koffer hinter sich her, über ihrer Schulter baumelte eine riesige vollgestopfte Tasche. Als sie ihn entdeckte, winkte sie und lachte. Dabei entblößte sie die Lücke zwischen ihren Schneidezähnen, die Theo so an ihr liebte. Theo ging ihr entgegen und plötzlich war sie da, in seinen Armen. Ihr Parfüm roch nach frisch gemähtem Gras. Es roch nach Hanna.
    »Mein Gott, was habe ich dich vermisst.«
    Sie lachte ihn an. »Und ich dich erst«, sagte sie, mit einer Stimme so tief, dass Theo sie anfangs für die eines Mannes gehalten hatte. In seiner Brust löste sich der Knoten aus Sorge, dass ihr Wiedersehen eine verkrampfte Angelegenheit werden könnte.
    Er warf sich die Tasche über die Schulter und nahm ihr den Rollkoffer ab. Sie ergriff seine freie Hand. Und ließ sich zu seinem alten Citroën lotsen, seine Gangsterkarre, wie Hanna ihn scherzhaft nannte. Mit einem Seufzer ließ sie sich in die Ledersitze fallen. »Ich bin fix und alle«, sagte sie und steckte die Nase in den Blumenstrauß.
    Über drei Monate war sie weg gewesen, und da sie sich zuvor noch nicht besonders lange gekannt hatten, war das eine ziemlich lange Zeit.
    Obwohl sie sich gleich zueinander hingezogen gefühlt hatten, waren sie irgendwie nicht richtig in die Gänge gekommen. Theo hatte Schuldgefühle Nadeshda gegenüber, Hanna hatte Angst, verletzt zu werden. Bis auf ein heftiges Geknutsche, bei dem Hanna überdies noch eine schwere Erkältung gehabt hatte, war zwischen ihnen nichts gelaufen. Und dann, als Theo hoffte, dass sich zwischen ihnen alles klären würde, war Hanna für einen größeren Auftrag nach Südafrika abgereist.
    Anfangs war Theo unvernünftigerweise sauer auf sie gewesen, weil sie schon wieder einfach so aus seinem Leben verschwunden war. Aber dann hatten sie einander immer längere E-Mails geschrieben. Er war überrascht, wie nahe man sich durch ein paar virtuelle Worte kommen konnte. Und jetzt saß sie hier leibhaftig neben ihm. Er legte ihr die rechte Hand aufs Knie. Es fühlte sich ganz selbstverständlich an.
    Kurz darauf langten sie bei Hannas Wohnung im Stadtteil Eimsbüttel an. Ein gnädiges Schicksal bescherte ihnen eine Parklücke fast direkt vor ihrer Haustür. Die Treppe in den vierten Stock des Jugendstilhauses kam Theo endlos vor. »Was hast du da bloß in dem Koffer?«
    »Mitbringsel, viele, viele Mitbringsel«, sagte sie fröhlich. »Für dich ist auch was dabei, also meckere nicht.«
    Hanna schloss die Tür auf und blickte sich um. »Wenn man länger nicht zu Hause war, kommt einem alles ein bisschen fremd vor.« Sie durchquerte die Wohnung und öffnete die Tür des kleinen Balkons, der auf die ruhige Seitenstraße hinausging. Der Aschenbecher stand noch auf seinem Platz. Sie kippte das Regenwasser aus und zündete sich die erste Zigarette seit Stunden an. Es wäre ihr vor Theo peinlich gewesen, das schon am Flughafen zu tun, obwohl ihr Körper nach Nikotin gelechzt hatte. »Herrlich«, sagte sie, »das habe ich vermisst«, und meinte den Ausblick.
    Theo umschlang sie von hinten und vergrub seine Nase in ihren Locken.
    Sie machte sich los. »Ich glaube,
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