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In der Südsee

Titel: In der Südsee
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Abwechslung in seinen Vergnügungen, aber der Marquesaner wandert zum Grabe durch eine ununterbrochene Reihe gleichförmiger Tage.
    Am Nachmittag vor unserer Abreise kam eine Gruppe Eingeborener an Bord, um Abschied zu nehmen: neun unserer besonderen Freunde, mit Geschenkenbeladen und festlich gekleidet. Hoka, der beste Tänzer und Sänger, der größte Dandy von Anaho, einer der hübschesten jungen Männer der ganzen Welt – trotzig, eitel, schauspielerhaft, beweglich wie eine Feder und stark wie ein Stier –, war bei dieser Gelegenheit kaum wiederzuerkennen, er saß bedrückt und schweigsam da, das Gesicht ernst und grau. Es war sonderbar, den Jungen so bewegt zu sehen; noch sonderbarer, in seinem Geschenk etwas ganz Außergewöhnliches wiederzuerkennen, was wir am ersten Tage zu kaufen uns geweigert hatten, und dabei zu wissen, daß unser Freund, festlich gekleidet und offensichtlich tief gerührt über den Abschied, einer von denen war, die uns bei unserer Ankunft belagert und beleidigt hatten. Am sonderbarsten aber war es vielleicht, festzustellen, daß dieser geschnitzte Fächergriff die letzte der Kuriositäten des ersten Tages war, die uns inzwischen restlos von den Besitzern geschenkt worden waren: ihre Haupthandelsartikel, mit deren Hilfe sie uns auszuplündern suchten, solange wir uns fremd gegenüberstanden, und die sie uns aufzwangen ohne Gegenleistung, sobald wir Freunde geworden. Der letzte Besuch wurde nicht lange ausgedehnt. Einer nach dem andern reichte uns die Hand und kletterte in sein Kanu. Während Hoka dem Schiffe sofort den Rücken drehte, so daß wir sein Gesicht nicht wiedersahen, blieb Taipi stehen und blickte uns unter weichen Abschiedsgesten an. Als Kapitän Otis die Flagge senkte, grüßte die ganze Gruppe mit ihren Hüten. Das war der Abschied, die Episode unseres Besuches in Anaho wurde als abgeschlossen betrachtet, und obgleich die »Casco« noch ungefähr vierzig Stunden vor Anker blieb, kehrte keiner an Bordzurück, und ich bin geneigt zu glauben, daß sie jedes Erscheinen am Strande vermieden. Diese Zurückhaltung und Würde ist der feinste Charakterzug der Marquesaner.
Drittes Kapitel
Der Verbannte
    Über die Schönheiten von Anaho könnte man Bände schreiben. Ich entsinne mich, daß ich um drei Uhr erwachte und die Luft warm und voll Wohlgeruch fand. Lange Dünung stand in der Bucht, schien sie ganz zu erfüllen und dann zurückzuweichen. Weich, tief und stumm rollte die »Casco«, nur manchmal kreischte die Kette wie ein Vogel. Seewärts strahlten die Sterne am Himmel und spiegelten sich im Wasser. Wenn ich dorthin blickte, hätte ich mit dem hawaiischen Dichter singen mögen:
    Ua maomao ka lani, ua kahaea luna,
Ua pipi ka maka o ka hoku .
    (Die Himmel waren lieblich, sie dehnten sich da oben,
Zahlreich waren die Augen der Sterne.)
    Und dann wandte ich mich landwärts, hohe Wolken waren über meinem Haupt, schwarz türmten sich die Berge, und es war mir, als wäre ich tausend Meilen von hier und läge vor Anker in einer Hochlandsbucht; wenn der Tag anbräche, würde ich Pinien, Heidekraut, grüne Farne und Rauchschwaden aus Torfdächern erblicken; die fremde Sprache, die gleich an mein Ohr schlagen würde, müsse gälisch, nicht kanakisch sein.
    Und der Tag, als er kam, brachte andere Gesichte und Gedanken. Ich habe den Morgen anbrechen sehen in vielen Teilen der Welt: sicher eine der größten Freuden meines Daseins, und die Morgendämmerung, die ich mit höchster Bewegung betrachtete, leuchtete über der Bucht von Anaho. Die Berge hingen jäh über dem Hafen in allen erdenklichen Formen und Gestalten, grasbedeckt, zerklüftet und bewaldet, aber jeder besaß eine besondere Tönung von Saffran, Schwefel, Nelken oder Rosen. Der Glanz war wie Seide, die helleren Flecke schienen blütenhaft weich zu zerfließen, die dunkleren waren wie feierliches Erblühen. Das Licht selbst war das gewöhnliche Licht des Morgens, farblos und rein, und zeichnete auf diesem Juwelengrund alle Linien klar ab. Inzwischen verrieten rund um das Dorf unter den Palmen, wo blauer Schatten lagerte, rote Kokosfaserglut und leichte Rauchfahnen die erwachende Geschäftigkeit des Tages; am Strande kehrten Männer und Frauen, Knaben und Mädchen vom Bade zurück in strahlenden Gewändern, rot und blau und grün, wie wir sie entzückt schauten in den bunten kleinen Bilderbüchern unserer Kindheit, und bald darauf hatte die Sonne den östlichen Hügel erklommen, und der Glanz des Tages lag über allem.
    Das
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