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Im Stein

Im Stein

Titel: Im Stein
Autoren: Clemens Meyer
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ziemlich große Wunden haben im Mund und er an der Eichel, und Saft kommt bei mir eh nicht zwischen die Lippen. KB, Körperbesamung, o.k.
    Wenn das Jahr gut läuft, habe ich dann ganz schön was angespart. Die meisten können’s nicht halten, so wie viele Kerle ihren Saft, also das Geld. Gucci hier, Prada da. Na klar, gönne ich mir schonmal was, was denken Sie denn? (Zwinker, zwinker! Da lächele ich in die Kamera, und meine kleine Winterkomödie läuft so langsam doch an, was soll’s, das wird ’n schöner kleiner Hotel-Job, perfekt zum Feierabend, und der Gentleman mit dem Champagner und hoffentlich nicht so ’nem großen Monsterschwanz, obwohl, mal schaun, zwinker, zwinker!) Wenn ich nach der Arbeit mal ausgehe, da habe ich schon die feinen Sachen, wozu verdient man denn viel Geld? Aber die hohe Kante ist genauso wichtig. Sage ich zu jedem Mädel, das einsteigen will. Wenn du nicht aufpasst, stehst du irgendwann da, und die Kohle ist verprasst, die Zeiten werden schlechter, und du kannst schuften und ackern, bis du grau wirst und die Titten faltig, um wieder rauszukommen aus der Misere. Kann mir nicht passieren. Habe Pläne.
    Und da rollen wir langsam über die große Hauptstraße, die durchs Zentrum führt, die Stadt scheint hellblau zu leuchten, Schnee auf den Dächern, und da ist schon das große Hotel. Siebenundzwanzig Etagen und ’n paar noch oben drauf. Wieder stehen wir an einer Kreuzung, die Straße runter geht’s in den Zoo, dort bin ich als Kind ein paarmal mit meiner Mutter gewesen, wir sind extra von Jena gekommen deswegen, weil’s so ein großer und berühmter Zoo ist, das war in den Sommerferien, ich erinnere mich ganz gut daran, ich hatte so einen Ferienpass, mit dem man fast überall umsonst reinkam, und die großen Ferien gingen damals noch zwei Monate, das war wirklich eine lange Zeit, was wohl die Tiere bei dieser Kälte machen? Aber heute ist der Zoo ganz anders als früher, als die großen Raubtiere in den alten Käfigen hin und her tigerten, Sommer und Winter, sie taten mir leid als Kind, das weiß ich noch, vielleicht tun sie mir aber auch nur jetzt leid, wenn ich mich an sie erinnere, aber den Affen in diesem alten Affenhaus ging es wohl ganz gut, so wie sie spielten und Bananen fraßen und die Hände ans Glas legten. Und heute sind sie alle in riesigen Freiluftgehegen, Löwen, Tiger, Affen, natürlich nicht zusammen, das würde ja Mord und Totschlag geben, auch die verschiedenen Affenarten haben jede ihr eigenes Gehege, ist wirklich ein riesiger Zoo, fast wie eine kleine Stadt, und ich muss mal wieder hingehen, wenn ich eine Tochter habe, werde ich mit ihr ganz oft in den Zoo gehen und ihr alle Tiere zeigen, die Fische fand ich als Kind immer langweilig, dabei hatten die die schönsten Farben. Den neuen Zoo, also so wie er jetzt ist, denn es ist ja natürlich derselbe Zoo, aber trotzdem ganz anders, kenne ich nur aus dieser Fernsehsendung »Tiger und Äffchen«. Wir Mädels gucken das alle. Kennen jedes Tier. Mit Namen. Und finden den oder diesen Pfleger gut. Oder süß. Ich guck’s nur ab und zu beim Durchzappen. Ich zahle und steige aus. »Pass auf dich auf.«
    »Dank dir. Bis bald.« Und ich winke und sehe, wie er wegfährt. Es ist saukalt, ich rücke meinen Schal zurecht, cremefarben, Kaschmir, tut gut auf der Haut, ich trippele durch die große Drehtür, durch die anderen Türen, links und rechts, ziehen Leute riesige Rollkoffer, die Portiers halten die Türen auf, Taxis kommen und fahren wieder, ich schiebe meine kleine Tasche auf die Schulter, eine Hand auf dem Gurt, dann trippele ich an der Rezeption vorbei durch die große Lobby. Ein Springbrunnen plätschert. Es gab ein Bassin mit Fischen drin, im Zoo, das war voll mit Münzen. Links neben den Fahrstühlen die Bar, dort habe ich schonmal gesessen, war mit einem Gast verabredet, ich dachte erst, der kommt nicht, obwohl ich ihn ja auf seiner Zimmernummer zurückgerufen habe, aber wenn er sagt »unten an der Bar«, kann ich ja schlecht hochgehen und klopfen, und ich hab das alles schon erlebt, dass man dann vor ’ner Tür steht, Hotel oder Wohnung, und keiner macht auf. Weil sie plötzlich Schiss gekriegt haben oder sich einen von der Palme gewedelt oder was weiß ich. In Wohnungen gehe ich ja nicht so gerne, und das ist auch eher selten, dass da einer anfragt. Weil bei vielen ja die Frau zu Hause wartet. Aber da war ich schon in Buden gewesen, da wollte ich rennen, nur noch rennen. Da denkt man, dass die sich nicht
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