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Im Schwarm - Ansichten des Digitalen

Im Schwarm - Ansichten des Digitalen

Titel: Im Schwarm - Ansichten des Digitalen
Autoren: Byung-Chul Han
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als die Fremdausbeutung, weil sie mit dem Gefühl der Freiheit einhergeht. In der Selbstausleuchtung fallen die pornografische Zurschaustellung und die panoptische Kontrolle in eins. Die Kontrollgesellschaft vollendet sich dort, wo ihre Bewohner nicht durch äußeren Zwang, sondern aus innerem Bedürfnis heraus sich mitteilen, wo also die Angst davor, seine Privat- und Intimsphäre aufgeben zu müssen, dem Bedürfnis weicht, sie schamlos zur Schau zu stellen, das heißt, wo Freiheit und Kontrolle ununterscheidbar werden.
     
    Überwachung und Kontrolle sind ein inhärenter Teil der digitalen Kommunikation. Das Eigentümliche des digitalen Panoptikums besteht darin, dass die Unterscheidung zwischen dem Big Brother und dem Insassen immer mehr verschwimmt. Hier beobachtet und überwacht jeder jeden. Nicht nur staatliche Geheimdienste spähen uns aus. Unternehmen wie Facebook oder Google arbeiten selbst wie Geheimdienste. Sie leuchten unser Leben aus, um aus den ausgespähten Informationen Kapital zu schlagen. Firmen spähen ihre Angestellten aus. Banken durchleuchten potenzielle Kreditkunden. Der Werbeslogan von SCHUFA »Wir schaffen Vertrauen« ist reiner Zynismus. In Wirklichkeit schafft sie das Vertrauen komplett ab und ersetzt es durch Kontrolle.
    »
    Wir bieten Ihnen einen 360 Grad Blick auf Ihre Kunden.« Mit diesem Slogan wirbt das amerikanische Big-Data-Unternehmen Acxiom um Aufträge. Acxiom ist eine der Daten-Firmen, die sich heute explosionsartig vermehren. Acxiom unterhält eine gewaltige Daten-Lagerhalle mit Zigtausenden von Servern. Ihr Firmensitz im US-Bundesstaat Arkansas wird wie ein Geheimdienstgebäude abgeriegelt und streng überwacht. Das Unternehmen besitzt personale Daten über rund 300 Millionen US-Bürger, also über beinahe alle. Offenbar weiß Acxiom mehr über die US-Bürger als FBI oder IRS (US-Bundessteuerbehörde).
     
    Die ökonomische Seite der Ausspähung ist inzwischen schwer abzugrenzen von deren geheimdienstlicher Nutzung. Was Acxiom tut, unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der Tätigkeit eines Geheimdienstes. Acxiom arbeitet offenbar effizienter als die US-Dienste. Im Zusammenhang der Aufklärung der Terroranschläge vom 11. September 2001 lieferte Acxiom für 11 Verdächtige personenbezogene Daten an die Behörden. Der Überwachungsmarkt im demokratischen Staat hat eine gefährliche Nähe zum digitalen Überwachungsstaat. In der heutigen Informationsgesellschaft, in der der Staat und der Markt immer mehr verschmelzen, nähert sich die Tätigkeit von Acxiom, Google oder Facebook der eines Geheimdienstes. Sie bedienen sich oft desselben Personals. Und Facebook-, Börsen- und Geheimdienst-Algorithmen führen ähnliche Operationen durch. Angestrebt wird überall eine maximale Ausbeute an Information.
     
    Durch eine unspektakuläre Umstellung auf das Internet-Protokoll Version 6 ist heute die Anzahl verfügbarer Web-Adressen nahezu unbegrenzt. So ist es möglich, jedes Ding im Alltag mit einer Internetadresse zu versehen. Die RFID-Chips (Radio Frequenz Identifikation) machen die Dinge selbst zu aktiven Sendern und Akteuren der Kommunikation, die selbstständig Informationen senden und miteinander kommunizieren. Dieses Internet der Dinge vollendet die Kontrollgesellschaft. Dinge, die uns umgeben, beobachten uns. Überwacht werden wir dadurch nun auch von den Dingen, die wir tagtäglich gebrauchen. Sie senden pausenlos Informationen über unser Tun und Lassen. Sie wirken aktiv mit an der Totalprotokollierung unseres Lebens.
     
    Google Glass verspricht uns eine grenzenlose Freiheit. Google-Chef Sergey Brin schwärmt davon, was für wunderbare Bilder das Google Glass dank seiner Funktion macht, alle 10 Sekunden automatisch ein Bild zu schießen. Diese fantastischen Bilder seien ohne das Google Glass überhaupt nicht möglich. Gerade diese Datenbrille macht es aber möglich, dass wir von Fremden permanent fotografiert und gefilmt werden. Mit der Datenbrille trägt jeder praktisch eine Überwachungskamera mit sich. ]a, die Datenbrille verwandelt das menschliche Auge selbst in eine Überwachungskamera. Das Sehen fällt gänzlich mit der Überwachung zusammen. Jeder überwacht jeden. Jeder ist Big Brother und Gefangener zugleich. Das ist die digitale Vollendung des Benthamschen Panoptikums.

PSYCHOPOLITIK
    Foucault zufolge manifestiert sich die Macht seit dem 17. Jahrhundert nicht mehr als Todesmacht des Souveräns, sondern als Biomacht. Die Macht des Souveräns ist die des Schwertes.
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