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Im Schatten des Ringes

Im Schatten des Ringes

Titel: Im Schatten des Ringes
Autoren: Cynthia Felice
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metallenen Dorn, den er in den Schnee bohrte. Seine Kapuze war ihm vom Kopf geglitten und entblößte seinen Kopfpelz, der gesträubt hochstand. Seine Augen waren geweitet. Hätte Baltsar seinen Schwanz nicht in die Hose gesteckt, dann wäre er jetzt starr vor Angst gewesen.
    „Da unten ist eine Spalte.“ Teon deutete hangabwärts, seufzte und schaute seinen Herrn an.
    „Noch ein kleines Stück, Heao“, sagte Baltsar, „wenn Teon dich nicht gestoppt hätte …“ Baltsar schauderte und biß sich auf die Lippen.
    „Ich sehe überhaupt nichts“, verteidigte ich mich. Im Angesicht ihrer Besorgnis kam ich mir ziemlich töricht vor, denn mein Benehmen war wirklich kindisch gewesen. Ich hoffte, daß die Gefahr nicht so ernst war, so daß ich mir nicht mehr so dumm vorzukommen brauchte.
    Erzürnt durch meine störrische Reaktion packte Baltsar meinen Arm und zerrte mich hangabwärts hinter sich her. Nach nur fünfundzwanzig Schritten konnte ich den Spalt sehen, gähnend wie das Maul eines Monsters, vereist und steinhart. „Oh“, brachte ich anstelle einer Entschuldigung und eines Dankes heraus. Dann wandte ich mich um, um wieder hinaufzusteigen, doch Baltsars Hand lag immer noch auf meinem Arm, und er hielt mich auf.
    „Wir queren den Hang und treffen mit den anderen zusammen.“ Seine Stimme klang unfreundlich. In dem Bewußtsein, daß er seine Angst mehr und mehr unter aufrichtiger Wut verbarg, wehrte ich mich nicht, als er unter seinem Mantel ein Seil hervorzog, das eine Ende mir um den Leib band und das andere um seinen und das überschüssige Ende in die Hand nahm. Ich wandte mich ab, so daß er mir nicht ins Gesicht blicken konnte.
    Über uns arbeitete Teon sich Stufen tretend wieder den Hang hinauf, dorthin, wo er seine Last abgelegt hatte. Er kam nur langsam vorwärts, der Hang war steil, und ich war eine lange Strecke hinuntergerutscht.
    Hoch oben im Berg setzten die anderen Sklaven den Abstieg in kurzen, kontrollierten Gleitstrecken fort. Aufgrund der unterschiedlichen Gehrichtung hatten die Sklaven schon vor Baltsar und mir einen beträchtlichen Vorsprung. Schweigend folgten wir ihren Spuren für den Rest der Zwienacht und konnten sie manchmal nicht einmal mehr sehen. Oftmals drehte ich mich um und hielt nach Teon Ausschau, konnte jedoch auch ihn nirgends entdecken.
    Wir hatten unser Nachtlager längst aufgeschlagen und uns schon für einige Zeit aufwärmen können, ehe Teon endlich eintraf.
    „Noch etwas länger, und ich wäre losmarschiert, um nach dir zu suchen“, erklärte Baltsar, offensichtlich erleichtert, den Sklaven mit seiner Last wiederzusehen.
    „Damit hatte ich gerechnet, deshalb habe ich mich beeilt.“
    Baltsar schüttelte den Kopf. „Vielen Dank, Teon, aber du darfst dich nicht in Gefahr bringen. Meine Augen können in der Dunkelheit sehen, deine aber nicht. Ich hätte dich ganz bestimmt nicht im Stich gelassen.“
    „Der Pfad wird oft begangen; ich hatte keine Schwierigkeiten, ihm zu folgen. Außerdem wußte ich, daß Euer Vorsprung nicht allzu groß war“, meinte Teon.
    Baltsar nickte, dann wies er auf das Kochfeuer und entspannte sich zum erstenmal seit Beginn unserer Reise.
    Als der Sklave sich abwandte, sagte ich: „Teon.“ Er verharrte und schaute mich an. Seine drahtigen Gesichtshaare waren weiß von Eis, und er atmete heftig nach der Anstrengung – einer zusätzlichen Anstrengung, für die ich verantwortlich war. Aber ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Wenn mein Lieblingshund etwas besonders Kluges oder Lustiges machte, dann lobte ich ihn mit „Guter Hund“, aber Teon, der einen wachen Geist besaß, paßte nicht ganz in die Kategorie Hund. Ich lächelte und spielte mit den Ohren in seine Richtung.
    Einen Moment lang dachte ich, er hätte diese Geste nicht verstanden, denn er lächelte nur und sagte „Gern geschehen“, was kaum als angemessene Reaktion auf meine Geste angesehen werden konnte, durch welche ich ihm mitteilte, daß ich ihn für wert befand, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick, meiner ungeteilten Aufmerksamkeit sicher sein zu können. Doch dann begriff ich, daß er weitaus mehr in meine Geste hineininterpretierte, als ich wirklich gemeint hatte, und tadelte mich indirekt dafür, ihm nicht in angemessener Weise dafür dankbar zu sein, daß er mir das Leben gerettet hatte.
    „Danke“, murmelte ich. Es war seltsam, das zu einem Sklaven zu sagen. Dann lächelte Teon und vertrieb mein Unbehagen. Er drehte sich zum Kochfeuer um.
    Baltsar kicherte
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