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Im Bett mit

Im Bett mit

Titel: Im Bett mit
Autoren: Johanna Fuerstauer
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entwachsen, war es ihm wohl unmöglich, seinen Standort im Leben adäquat zu bestimmen. Die Mutter: eine strenggläubige Anhängerin der Zeugen Jehovas, für die so ziemlich alles, was Michael in späteren Jahren repräsentierte, Sünde war, die aber dennoch treu zu ihrem Sohn stand. Dazu: ein hemmungslos promiskuitiver und gewalttätiger Vater, der sich etwas darauf zugute hielt, seine Kinder, und vor allem den kleinen Michael, nachdem er dessen Talent einmal erkannt hatte, den steilen Weg nach oben zu prügeln. Gewinner, nicht Verlierer sollten seine Kinder in dem grausamen Spiel werden, das in Amerika – aber nicht nur dort – Karriere um jeden Preis heißt.
    Joseph Jackson stahl seinen Kindern die Kindheit, um sie zu Berühmtheiten zu machen. Da er der farbigen – also unterprivilegierten – Bevölkerungsschicht entstammte, wurde sein Streben nach sozialem Aufstieg zu einer Besessenheit, der er alles andere unterordnete.
    Die Realität in Michaels Kindheit hieß, an den Wochenenden gemeinsam mit den Geschwistern von einem Talentwettbewerb zum nächsten zu tingeln, mit seinen Brüdern in unzählige fremde Betten gequetscht zu werden, endlose Proben und Auftritte in zweitklassigen Theateretablissements zu absolvieren und dazu ungewollt Zeuge der sexuellen Eskapaden des Vaters zu werden. Zwischen diesen turbulenten Wochenendtrips lag dann jeweils eine harte Schulwoche mit peniblen Proben in der kargen und beengten Häuslichkeit der Jacksons, in der Geld und Raum ständige Mangelware waren.
    Michael, der jüngste unter den fünf Söhnen, war zweifellos so etwas wie ein Wunderkind, was seine tänzerische und rhythmisch-musikalische Begabung betraf. Und er liebte die Bühne und seine Auftritte dort wohl ebenso, wie er die drakonischen Erziehungsmaßnahmen des überstrengen Vaters und dessen hemmungsloses sexuelles Verhalten hasste. Die Mischung aus optischer Niedlichkeit, professionellem Können und einer gewissen frühen erotischen Ausstrahlung machten den damals Elfjährigen schon bald zum Idol ganzer Horden frenetisch kreischender Teenager. Wo er auftrat, eskalierte die Reaktion eines Massenpublikums zur Massenhysterie. Eine Woge gemeinschaftlich empfundener Begeisterung überspülte die Hallen und löste in ihm schon früh erhebliche Berührungsängste aus. Bereits während seiner Adoleszenz machte sich die Zwiespältigkeit seines Wesens bemerkbar. Privat scheute er vor erotischen Kontakten eher zurück; als seine älteren Brüder anfingen, ihrerseits dem Beispiel des Vaters zu folgen und Groupies »abzuschleppen«, bereitete ihm dies entschieden Unbehagen. Gutgemeinte Einladungen der Brüder, es ihnen gleichzutun, lehnte er brüsk und mit einer gewissen Abscheu ab. Doch ganz anders, wenn er auf der Bühne stand: Dort verströmte er erotisches Flair pur, mit dem er sein jugendliches Publikum buchstäblich elektrisierte. Seine Soloauftritte bewirkten eine allgemeine Ekstase. Seine rotierenden Hüften, seine stoßenden und zuckenden Tanzschritte suggerierten gleichsam eine Art von Massenorgasmus.
    Der Entertainer Michael Jackson verstand sich – so jung er auch sein mochte – hervorragend darauf, den Gefühlspegel seines Publikums am Kochen zu halten und dabei, vermutlich unbewusst, die verborgene sexuelle Seite seines Wesens auf der Bühne auszuleben. Michaels Aufstieg vom tingelnden Kinderstar zu einem Giganten der Unterhaltungsindustrie ist zu bekannt, um darüber viele Worte zu verlieren. Aber die Woge des Erfolgs, die ihn steil nach oben trug, wurde gleichzeitig zum Verhängnis seiner persönlichen Entwicklung. Denn wie sollte ein junger Mensch, der mit sich selbst uneins war und sich ganz offensichtlich in seiner eigenen Haut unbehaust fühlte, damit fertig werden, dank seiner scheinbar unbegrenzten materiellen Möglichkeiten sich jeden Wunsch erfüllen, jedes Hindernis beiseiteräumen zu können und doch immer wieder an den Grenzen seines eigenen Selbst zu scheitern.
    Michael, das Kind, dem die Kindheit genommen worden war, wäre gerne für immer in die Welt des Kindseins eingetaucht. Er träumte, wie Peter Pan, die Fantasiefigur eines Jungen, der nie erwachsen wird, davon, sich eine dauerhafte Märchenwelt zu schaffen, in der er mit anderen, jüngeren Kindern ein glückliches Leben führen würde. Wie auf Peter Pans Insel Neverland sollte die harte und oft abstoßende Welt der Erwachsenen dort ausgeschlossen sein.
    Seine lange Suche nach einem neuen Kindheitsparadies zeitigte endlich den gewünschten
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