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Ich werde schweigen Kommissar Morry

Ich werde schweigen Kommissar Morry

Titel: Ich werde schweigen Kommissar Morry
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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überfordert.“ Kommissar Morry blickte ernst auf seine Protokolle nieder. „Ist das auch Ihre Ansicht?“, fragte er tonlos.
    „Ich weiß nicht, Sir“, sagte Puck achselzuckend. „Als ich zu Ihnen kam, hatte ich einen fast kindlichen Respekt. Ich glaubte, Sie würden den Fall schon nach wenigen Tagen lösen.“
    „Das war eben ein Irrtum“, sagte Morry leise. „Wenn Sie ein guter Kriminalist werden wollen, Puck, dann dürfen Sie nie an Wunder glauben. Unser bester Verbündeter ist der Zufall und die Zeit. Und unsere wichtigste Eigenschaft muß die Geduld sein. Nur die Geduld bringt uns ans Ziel. Der Mörder wird sie verlieren, aber ich werde sie behalten.“
    „Haben Sie schon eine Ahnung, wer der Mörder sein könnte?“, forschte Hilfsinspektor Puck gespannt. „Es sind ja nur noch zwei von diesen Abgeordneten übrig. Einer von ihnen . . .“
    „Wir reden morgen darüber weiter“, sagte Morry nach einem raschen Blick auf die Uhr. „Jetzt müssen Sie mich entschuldigen. Ich habe ein paar wichtige Gänge.“
    Zunächst aber sah es gar nicht so aus, als hätte es der Kommissar so besonders eilig. Er vertrödelte eine ganze Stunde beim Abteilungspräsidenten des I. Dezernats. Später unterhielt er sich auch noch ein Weilchen mit dem Chef des Erkennungsdienstes. Erst am Abend wurde er wieder aktiv. Von einem kleinen Cafe aus rief er das Sonderdezernat an.
    „Sie könnten mir einen Gefallen tun, Puck“, murmelte er hastig in die Muschel. „Bleiben Sie bitte bis gegen Mitternacht am Apparat. Es könnte sein, daß ein dringender Anruf kommt. Mich erreichen Sie unter meiner Privatnummer. Vielen Dank, Puck. Auf Wiederhören!“
    Nach diesem Anruf bummelte Kommissar Morry wieder zwei Stunden lang durch die Straßen. Man hätte ihn für einen Müßiggänger halten können, der nicht wußte, was er mit seiner freien Zeit anfangen sollte. In Wirklichkeit aber ließ der Kommissar noch
    einmal alle Morde an seinem geistigen Auge vorüberziehen, die sich seit der Rückkehr der sieben Abgeordneten aus Brasilien ereignet hatten. Er ahnte jetzt manche Zusammenhänge, die ihm früher verborgen geblieben waren. Und auch der Mörder begann Gestalt zu gewinnen. Er schälte sich allmählich deutlich heraus. Man mußte nur noch die letzten Beweise gegen ihn sammeln.
    Um zehn Uhr verhielt der Kommissar vor einem schönen Gebäude am Goods Depot in Camden Town. Das Haus war in modernem Stil errichtet und für Junggesellen gebaut, die ohne Frauen durchs Leben gingen. In jedem Stockwerk lagen drei Appartements, die nichts zu wünschen übrig ließen. Morry sah zu einer Wohnung im zweiten Stock empor, deren Fenster dunkel in die Nacht gähnten. Immer wieder glitten seine Blicke über diese Fenster hin.
    „Es kann mich meine Stellung kosten“, grübelte er halblaut vor sich hin. „Ich riskiere Kopf und Kragen, wenn ich diese Wohnung ohne Durchsuchungsbefehl betrete. Aber ich muß es tun. Es bleibt mir kein anderer Weg.“
    Er gab sich einen energischen Ruck und schüttelte alle Bedenken ab. Die Haustür war offen. Er gelangte ohne jedes Aufsehen in den Treppenflur. Auch das Licht brannte noch. Niemand sah ihn, als er die Stufen nach oben schritt.
    Im zweiten Stock verhielt er vor dem mittleren Appartement. Auf den ersten Blick bemerkte er, daß es ein sehr kompliziertes Schloß war, mit dem er es hier zu tun hatte. Im allgemeinen waren die Wohnungstüren nicht mit derart raffinierten Schlössern gesichert. Er zog einen Spezialhaken aus der Tasche und machte sich vorsichtig an der Tür zu schaffen. Den Hut hatte er tief in die Stirn gedrückt und den Mantelkragen hochgeschlagen.
    Vier, fünf Minuten arbeitete er im Schweiße seines Angesichts. Dann endlich klickte das Schloß. Die Tür schnappte auf. Morry zog sie leise hinter sich zu und huschte ein Stück in den schmalen Korridor hinein. Er wagte nicht, Licht zu machen. Der dünne Strahl seiner Dienstlampe mußte ihm genügen.
    Eine geraume Weile horchte er den hastigen Schlägen seines Herzens nach. In der Wohnung selbst rührte sich nichts. Sie wirkte leer und verödet. Jetzt endlich öffnete Morry die erste Tür. Er war kaum über die Schwelle getreten, da erstarrte er buchstäblich zur Salzsäule. Alles Blut wich aus seinem Gesicht.
    „Wer da?“, rief ihm eine krächzende Stimme entgegen. „Nehmen Sie die Hände hoch, junger Mann.“
    Morry richtete den Strahl seiner Lampe blitzschnell in die Ecke des Zimmers. Er sah einen großen Drahtkäfig, in dem zwei buntgefiederte
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