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Ich versprach dir die Liebe: Roman (German Edition)

Ich versprach dir die Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Ich versprach dir die Liebe: Roman (German Edition)
Autoren: Priscille Sibley
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Hirntodfeststellung einleiten«, sagte er schließlich. Er brach kurz ab, ehe er zögernd hinzufügte: »Es ist mir wirklich unangenehm, dich das jetzt zu fragen, aber würdest du … also, wäre sie bereit, Organe zu spenden?«
    Ich nickte. Sie hatte das Formular unterschrieben. Andererseits befürchtete ich, dass Elles Autoimmunprobleme möglicherweise dagegenstehen könnten.
    »Darum kümmere ich mich«, entgegnete Phil.
    Ich riss mich zusammen und öffnete die Tür des Bereitschaftszimmers. Ich musste Elle noch einmal sehen. Natürlich kannte ich mich mit schweren Hirnschäden aus, trotzdem war meine Frau nicht einfach nur eine Patientin für mich. Ich konnte das alles nicht als klinische Situation abtun. Und auch wenn Phil das desolateste Szenario dargestellt hatte: Es waren nur Worte gewesen. Zum Teufel – wie oft schon hatte ich Familien genau diese Diagnose mitgeteilt? Jedenfalls öfter, als ich mich erinnern konnte.
    Innerlich kollabierte ich wie eines der Schwarzen Löcher, die Elle so intensiv studierte. Studiert hatte. Genaugenommen existierte sie bereits nicht mehr, wie Phils OP -Bericht, die Ergebnisse des Hirnmonitorings und die schlaffe Gestalt meiner Frau auf dem Krankenhausbett bewiesen. Von der Tür aus sah ich zu, wie Schwestern Monitore verkabelten, Infusionspumpen programmierten und das Antiseptikum von ihrem rasierten Kopf entfernten.
    Ich atmete tief durch und versuchte, mich gegen das Unvermeidliche zu wappnen. Es gibt keinen feststehenden Test, um Hirntod nachzuweisen. Außer dem EEG zählen unter anderem ein mit Dopplersonografie festgestellter Durchblutungsstopp in allen hirnversorgenden Gefäßen, die Lichtstarre beider Pupillen, das Fehlen von Reaktionen auf Schmerzreize und der Ausfall der Spontanatmung. Ich blieb aufrecht stehen. Ein bisschen wacklig auf den Beinen vielleicht, aber ich stand. Und ich brauchte Zeit, ehe ich diesen Vorgang akzeptieren konnte. Elle hatte keine anderen Verletzungen. Warum konnte sie sich nicht einfach einen Arm oder ein Bein brechen? Selbst mit einem Bruch der Hals– oder Lendenwirbelsäule hätte ich mich abfinden können. Warum musste es ausgerechnet ihr Kopf sein, der auf den Stein aufschlug?
    Phil legte seine Hand auf meine Schulter. Ich schrak zusammen. »Soll ich es deiner Familie beibringen?«
    »Nein, ich gehe gleich zu ihnen.« Gleich. In einer Minute? Einem Jahr? Zumindest jetzt im Moment blieb ihnen noch die Hoffnung. Sobald sie Phils Bericht hörten, wäre alles zu Ende. Ich schlüpfte ins Zimmer und nahm Elles Hand. Sie war kalt. Vor der OP hatte sich niemand die Mühe gemacht, ihren Ehering abzunehmen. Zumindest war dieses Geschenk von mir bei ihr gewesen, als Phil sie operierte.
    »Entschuldigen Sie«, sagte eine der Schwestern, »ich muss die Infusion überprüfen.«
    Ich zog mich in eine Ecke des Zimmers zurück. Neben dem Waschbecken blieb ich stehen, zog meinen eigenen Ehering vom Finger und las die Gravur. Meine Liebe, mein Leben, Peep. Ich steckte den Ring zurück an seinen Platz und wankte den Flur entlang zum Warteraum der Intensivstation.
    Vor dem Eintreten zögerte ich. Da drinnen warteten unsere Familien. Ich korrigiere: unsere Familie. Die Mehrzahl war zur Einzahl geworden, als Elle und ich heirateten. Obwohl es ohnehin nie viel Abgrenzung zwischen den Beaulieus und den McClures gegeben hatte. Elle und ich waren in Nachbarhäusern aufgewachsen, und beide Familien wechselten fröhlich von einer Küche in die andere. Wir fühlten uns in beiden Häusern daheim.
    Im Warteraum saßen Elles Vater Hank, ihr Bruder Christopher und dessen Frau Arianne. Außerdem meine Mutter. Und ich musste ihnen jetzt sagen, dass wir Elle verloren hatten. Einer nach dem anderen entdeckte mich, wie ich dort an der Tür stand. Elles Vater hob die Hand vor den Mund. Christopher sprang auf. Meine Mutter ließ den Kopf nach vorn sinkenund begann leise zu weinen. Meine Mutter liebte Elle; sie hatte sie immer geliebt.
    Ich setzte mich neben Mom und streichelte ihren Rücken. Innerlich lief ich auf Autopilot wie durch einen lichtlosen Tunnel. Ich konnte mir nicht vorstellen, je wieder Licht zu sehen.
    Nach und nach tropften die Worte aus mir heraus. Zunächst sehr langsam. Es waren mechanische, oft wiederholte Worte, die ich schon viele Male zu anderen Leuten gesagt hatte. »Sie hat ein irreversibles Schädel-Hirn-Trauma erlitten und wird nie wieder aufwachen. Und sie wollte ihre Organe spenden.« Ich beobachtete ihre Gesichter. »Sobald die Narkose nicht
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