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Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Titel: Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)
Autoren: Irene Stratenwerth , Reinhard Berkau
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Höhe getrieben wurde. Mir selbst machte die schmale Kost nicht viel aus, ich wollte zu Hause schließlich das erreichte Traumgewicht von 80 Kilogramm präsentieren.
    Die Stimmung unter den Gefangenen war bei weitem nicht so entspannt wie in der CI Reeves. Auch hier saßen viele Mexikaner, und manchen von ihnen drohten drastische Strafen. Einer unserer Zellengenossen – nennen wir ihn Ramon – war wegen eines Vorfalles angeklagt, der in den Medien ziemliche Wellen geschlagen hatte: Ein Transporter, der illegale Einwanderer gegen Geld über die Grenze von Mexiko nach Texas schmuggelte, war verunglückt. Drei von den sechs Menschen, die auf der völlig überfüllten Ladefläche des Autos zusammengepfercht waren, starben. Ramon war zwar an diesem Unfall nicht direkt beteiligt gewesen, galt aber als Drahtzieher der illegalen Transporte. Das reichte, um ihn des Mordes zu beschuldigen und ihm mit der Todesstrafe zu drohen. Eines Tages kam Ramon freudestrahlend in unsere Zelle zurück: Der Staatsanwalt hatte ihm einen plea bargain angeboten, nach dem er «nur» neun Jahre im Gefängnis bleiben musste.
    Ein anderer cellie war ein junger Typ aus Pecos, der als gewalttätig und leicht gestört galt. Die guards behandelten ihn auffällig freundlich, sie kannten seine Eltern. Aber uns nervte der junge Mann schon gewaltig, indem er sich stundenlang laut brüllend über eine Öffnung der Klimaanlage mit einer weiblichen Gefangenen unterhielt, die in einem anderen Stockwerk des Gebäudes einsaß. Er kannte die Frau nicht und machte sich mit allerlei eitlen Beschreibungen bei ihr wichtig. Schließlich platzte mir der Kragen:
    «Geht das nicht ein bisschen ruhiger? Kannst du nicht mal den Mund halten?», fuhr ich unseren cellie einmal an. Die Situation wurde sofort bedrohlich. Der junge Mann, ein Riesenbaby im Alter von neunzehn Jahren, pumpte sich demonstrativ vor mir auf:
    «Was willst du?», raunzte er zurück.
    Ich stand kurz vor meiner ersten Schlägerei im Knast, und das war auch allen anderen in unserer Zelle klar. Ramon war der Erste, der reagierte. Eine gewalttätige Auseinandersetzung war das Letzte, was er sich jetzt leisten konnte. Er drückte den Alarmknopf, und zwei guards stürmten herein. Nach einer kurzen Sondierung der Lage schnappten sie sich meinen Widersacher, um ihn in den SHU zu sperren. Auch Ramon nahmen sie mit. Ich hatte den Eindruck, dass er sich dazu fast angeboten hatte, um bloß nicht den Eindruck zu erwecken, dass er in dem Konflikt auf meiner Seite stand. Ein paar Stunden später kam er zurück.
    Einmal wandte sich ein guard mit einer Frage an mich. Das war noch nicht allzu häufig vorgekommen.
    «Ist es okay für euch, wenn wir einen Schwarzen auf eure unit bringen?»
    «Klar, warum nicht?», antwortete ich. Ich verstand nicht, warum er mich das überhaupt fragte. Der guard schien erleichtert, und kurze Zeit später brachten sie den Neuzugang zu uns: einen freundlichen Zeitgenossen aus Kalifornien, der wegen eines Verstoßes gegen seine Bewährungsauflagen verhaftet worden war.
    Erst nach und nach dämmerte mir: Allein die Tatsache, dass der Mann eine schwarze Hautfarbe hatte, machte das Leben für ihn in diesem texanischen Knast gefährlich. Es gab hier ansonsten keine Schwarzen, und schon in Louisiana hatte ich gelernt, dass das Verhältnis zwischen weißen und farbigen Inhaftierten nicht einfach war, das Verhältnis zwischen Latinos und Schwarzen aber höchst prekär. Mir und Harry, den besonnenen älteren Herren aus Europa, trauten sie zu, gewalttätige Konflikte zu verhindern, und wir hatten mit unserem neuen cellie auch keinerlei Probleme.

    Fünf ganze Wochen saß ich im Criminal Justice Center von Pecos. Mein Aufenthalt dort diente dem einzigen Zweck, mich für eine richterliche Anhörung bereitzuhalten, in der ich gefragt wurde, ob ich denn nun wirklich nach Deutschland überstellt werden wolle. Der Termin selbst dauerte keine Viertelstunde. Zu diesem Zweck eine Anfahrt aus der wenige Autominuten entfernt liegenden CI Reeves zu organisieren war aber anscheinend logistisch nicht zu bewältigen gewesen.
    Trotz der eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten bekam ich, unter anderem über meine Washingtoner Anwältin Sylvia Royce, ab und zu ein paar Informationen darüber, wie währenddessen in Hamburg die Vorbereitung auf meine Rückkehr lief. Der Richter, der über meine weitere Strafvollstreckung in Deutschland zu entscheiden hatte, war bereits über meinen Fall informiert. Um meine
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