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Höllen-Mädchen

Titel: Höllen-Mädchen
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Tatsächlich, unendlich langsam senkte sich der vordere Fuß, und die ganze Figur verlagerte sich um Millimeter nach vorn. Sogar das Haar flatterte in einem imaginären starken Fahrtwind. Aus ihrer Sicht schien der Läufer beinahe bewegungslos, aber in seiner Zeitebene sprintete er vermutlich so schnell er konnte.
    Wo wollte er bloß hin? Sie folgte mit den Augen seiner Laufrichtung und sah dabei direkt durch die geöffneten Torflügel. Oh. Offensichtlich wollte er hinaus, ehe das Tor sich wieder schloß. Er konnte froh sein, daß sie gerade zufällig vorbeigekommen war und ihm den Ausgang geöffnet hatte.
    Zufälligerweise? Lacuna hatte genug Erfahrung, solchen Zufällen zu mißtrauen. In Mundania mochte ja das Schicksal das Leben der Menschen bestimmen, hier aber waren sie in Xanth. Wahrscheinlich steckte mehr dahinter, als man im ersten Augenblick erkennen konnte.
    Sie überlegte angestrengt und entschloß sich zu einem Experiment. Neben den Standfuß des Läufers kratzte sie eine kleine Markierung, so daß sie seine gegenwärtige Position genau festgelegt hatte. Dann rannte sie selbst aus dem Park, und das Tor fiel donnernd hinter ihr zu.
    Mit einem kleinen Spaziergang erkundete sie die Umgebung, kehrte jedoch schon nach wenigen Minuten zurück und öffnete mit Hilfe des Schlüssels erneut das Tor. Es blieb wie gewöhnlich offen, während sie selbst zur Statue eilte.
    Da, ganz eindeutig. Er hatte sich nicht von ihrer Markierung entfernt. Genau besehen, war er sogar ein kleines Stück zurückgefallen. Offenbar mußte er auf die ursprüngliche Position zurückgekehrt oder vielleicht sogar zurückgesetzt worden sein. Anscheinend rannte er nur auf das Tor zu, wenn es offenstand. Um es zu erreichen, mußte er von einer bestimmten Position aus starten.
    Es machte irgendwie keinen Sinn! Nicht nur Zufälle waren Lacuna verdächtig, sondern auch scheinbare Sinnlosigkeiten wie diese, und ganz besonders an einem solch magischen Ort.
    Sie untersuchte die Statue genauer. Etwas hatte sie bisher übersehen, nämlich den niedrigen Sockel, auf dem der Läufer stand. Bestimmt mußte er von hier starten, wenn er den Eingang erreichen wollte. Auf dem Sockel stand in großen Lettern: Ultimatumsdenkmal.
    Das war doch das dritte gewesen, das Humfrey in seiner Antwort erwähnt hatte! Jetzt erinnerte sie sich wieder. Sie mußte den Wechselberg erreichen, und zwar vor dem Auslaufen des Ultimatumsdenkmals. Damit konnte Humfrey nur das Her-auslaufen aus der Eingangspforte gemeint haben! Höchstwahrscheinlich schloß das Parktor sich hinter dem Läufer, wenn er dort ankam, bevor sie vom Wechselberg zurück war. Es konnte sein, daß ihr der Schlüssel dann nicht mehr gehorchte und sie im Park gefangen blieb. Ihr schauderte bei der Vorstellung, sich unbekleidet auf den Sockel zu stellen und auf den nächsten Besucher warten zu müssen, der irgendwann einmal vorbeikommen mochte. Und vermutlich konnten diese Läufer sich nur äußerst langsam bewegen.
    Was für ein entsetzliches Schicksal! Nun, da sie wußte, was ihr bevorstand, hatte sie es sehr eilig, ihre Aufgabe auf dem ›Wechselberg‹ zu erledigen. Denn so weit war der Läufer nicht mehr vom Parktor entfernt. Wenn sie sich zuviel Zeit nahm, war sie mit Sicherheit verloren.
    Wo sollte sie den Wechselberg suchen? Er mußte ganz in der Nähe sein.
    Hinter der Statue schlängelte sich ein kleiner Pfad ins Innere des Parks. Lacuna machte sich hurtig auf den Weg. Da das Gelände nicht sehr groß war, bestand eine gute Chance, daß sie ihr Ziel schnell fand.
    Sie hatte recht mit ihrer Vermutung. Schon bald kam der Berg in Sicht. Er war nicht besonders hoch, eigentlich eher ein kleiner Hügel, der seltsam in der Sonne blinkte. Beim Näherkommen erkannte sie, daß seine Hänge mit kleinen glitzernden Steinen bedeckt waren. Doch wenn man direkt davor stand, stellte sich heraus, daß es sich nicht um Steine, sondern um kleine Münzen handelte. Genau besehen waren es echte mundanische Kupfer-, Messing-, Silber- und Goldmünzen.
    Der Wechselberg war eigentlich ein Berg Wechselgeld. Lacuna war enttäuscht. Sie hatte fest damit gerechnet, der Wechselberg könne Dinge verändern, also möglicherweise auch ihr eigenes stumpfsinniges Dasein. Oh, wie hatte sie sich gewünscht, ihren langweiligen Trantüten-Charakter wie ein Kleid ablegen und gegen ein erfülltes Leben eintauschen zu können. Aber so war das, wenn man sich zu früh freute.
    Doch sie durfte die Hoffnung nicht aufgeben, denn an diesem Ort
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