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Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)

Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)

Titel: Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)
Autoren: Alice Munro
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geschrieben, nach dem Eindruck, den sie von Sabitha während ihres Sommeraufenthalts am Lake Simcoe gewonnen habe, brauche das Mädchen eine feste Hand.
    »Offen gestanden glaube ich nicht, dass Du allein mit der Frau, die Du eingestellt hast, der Lage gewachsen sein wirst, sobald erst die Jungen das Mädchen umschwärmen.«
    Sie ging nicht so weit, ihn zu fragen, ob er eine weitere Marcelle am Hals haben wollte, aber genau das meinte sie. Sie schrieb, sie werde Sabitha in einer guten Schule unterbringen, wo man ihr wenigstens Manieren beibringen werde.
    Er stellte den Fernseher an, um sich abzulenken, aber das half nichts.
    Es waren die Möbel, die ihn in Harnisch brachten. Es war Ken Boudreau.
    Tatsächlich hatte Mr McCauley vor drei Tagen – genau an dem Tag, an dem Johanna ihre Fahrkarte gekauft hatte, wie er inzwischen vom Stationsvorsteher wusste – einen Brief von Ken Boudreau erhalten mit der Bitte, ihm (a) etwas Geld auf die Möbel vorzustrecken, die ihm (Ken Boudreau) und seiner toten Frau Marcelle gehörten und in Mr McCauleys Scheune lagerten, oder (b), wenn er sich dazu nicht durchringen konnte, die Möbel so teuer wie möglich zu verkaufen und das Geld so rasch wie möglich nach Saskatchewan zu schicken. Es war keine Rede von den Darlehen, die der Schwiegervater dem Schwiegersohn bereits gewährt hatte, alle auf den Wert dieser Möbel hin und in der Summe mehr, als beim Verkauf je erzielt werden konnte. Sollte Ken Boudreau das völlig vergessen haben? Oder hoffte er einfach – was wahrscheinlicher war –, sein Schwiegervater habe sie vergessen?
    Er war jetzt offenbar Besitzer eines Hotels. Aber sein Brief schäumte über von Anwürfen gegen den Vorbesitzer, der ihn in vielem hinters Licht geführt habe.
    »Wenn es mir gelingt, diese Hürde zu nehmen«, schrieb er, »dann kann ich meiner festen Überzeugung nach noch etwas daraus machen.« Welche Hürde? Er brauchte dringend Geld, so viel war klar, aber er schrieb nicht, ob er dem Vorbesitzer etwas schuldete oder der Bank oder einem privaten Hypothekar oder sonst jemandem. Es war immer wieder dasselbe – flehentliche, verzweifelte Bitten, unterfuttert von Arroganz, einer Haltung, dass ihm etwas zustand, wegen der Verletzungen, die ihm zugefügt worden waren, der Schande, die über ihn gebracht worden war, durch Marcelle.
    Trotz vieler Bedenken, aber mit Hinblick darauf, dass Ken Boudreau schließlich sein Schwiegersohn war, an der Front gekämpft und in seiner Ehe Gott weiß was durchgemacht hatte, setzte Mr McCauley sich hin und schrieb ihm einen Brief, des Inhalts, dass er keine Ahnung hatte, wie er den besten Preis für die Möbel erzielen sollte und sich damit sehr schwer tat, und dass er einen Scheck beifügte, den er als persönliches Darlehen betrachtete. Er ersuchte seinen Schwiegersohn, ihm das als solches zu quittieren und sich die Anzahl ähnlicher, in der Vergangenheit gewährter Darlehen in Erinnerung zu rufen – die nach seiner Überzeugung den Wert der Möbel bereits weit überstiegen. Er fügte ferner eine Liste der Daten und Beträge bei. Abgesehen von fünfzig Dollar, gezahlt vor nahezu zwei Jahren (mit dem Versprechen regelmäßig folgender Zahlungen), hatte er nichts zurückerhalten. Sein Schwiegersohn sah sicherlich ein, dass infolge dieser nicht zurückgezahlten zinsfreien Darlehen Mr McCauleys Einkommen gesunken war, denn dieses Geld hätte er sonst angelegt.
    Er hatte erwogen hinzuzufügen: »Ich bin nicht so dumm, wie du anscheinend meinst«, entschied sich aber dagegen, denn das hätte seine Verärgerung und vielleicht seine Schwäche offenbart.
    Und jetzt das. Der Kerl war ihm zuvorgekommen und hatte Johanna für seine Zwecke eingespannt – Frauen ließen sich von dem immer herumkriegen – und so die Möbel und dazu den Scheck ergattert. Laut Stationsvorsteher hatte sie die Frachtkosten aus eigener Tasche bezahlt. Das protzige moderne Ahorn-Zeug war bislang schon überbewertet worden, und sie würden nicht viel dafür kriegen, besonders wenn man mit einrechnete, was die Bahn verlangt hatte. Wenn sie schlauer gewesen wäre, hätte sie einfach etwas aus dem Haus genommen, einen der alten Kabinettschränke oder eines der Salonsofas, die zum Sitzen zu unbequem waren, aber dafür aus dem vorigen Jahrhundert stammten. Das wäre natürlich glatter Diebstahl gewesen. Aber was die beiden getan hatten, war nicht weit davon weg.
    Er ging zu Bett mit dem Entschluss, dagegen gerichtlich vorzugehen.
    Er wachte auf, ganz
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