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Herrchenjahre

Herrchenjahre

Titel: Herrchenjahre
Autoren: Michael Frey Dodillet
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Diskussionsstränge generieren niemals weniger als zweihundertfünfzig Beiträge. Es beginnt mit dem behutsamen Abwägen aller Vor- und Nachteile von Industriefutter, geht über zu Verweisen auf signifikante Testergebnisse und endet bei Empfehlungen für seltene, online gehandelte, antiallergene, skandinavische Fischtranpellets für achtzehn fünfzig das Pfund.
    Endet? Weit gefehlt.
    Spätestens an dieser Stelle intervenieren in der Regel die Freunde der Biologisch Artgerechten Rohfütterung, kurz Barf genannt. Wer barft, trägt Heiligenschein. Er füttert ausschließlich rohes Rind- oder Pferdefleisch mit speziell zubereiteten Beilagen und mineralgeschwängerten Vitaminessenzen, vertrödelt damit täglich zwei Stunden in der Küche, behauptet jedoch, dass Barfen bei guter Organisation nicht länger als fünf Minuten in Anspruch nehme.
    Sollte die Auseinandersetzung etwas an Dynamik verlieren, weil die Kontrahenten nach drei Tagen schwächeln, kann man mit einem beherzten »Hat schon mal jemand mit Katze gebarft?« zuverlässig Öl ins Feuer gießen.

    Weitere Bemerkungen, die umgehend eine Steinigung nach sich ziehen:
    »Mein Hund ist tagsüber fünf Stunden alleine.«
    »Ich habe keine Zeit, drei Stunden spazieren zu gehen.«

    »Wieso Labradore geistig auslasten? Der Hundeplatz tut’s doch auch.«
    »Wo gibt es eigentlich diese schönen praktischen Kettenhalsbänder?«
    »Ich benutze nie ein Geschirr, wenn ich mit der Schleppleine arbeite.«
    »Wir holen uns einen bayrischen Gebirgsschweißhund in unsere Bonner Etagen wohnung.«
    »Wir lassen Rudi morgen kastrieren, damit er ruhiger wird.«
    Kastration ist immer ein Volltreffer. Kollektiver Aufschrei! Kastration aus medizinischen Gründen ja, aber doch bitte nicht aus Erziehungsfaulheit. Aus kühlem Geplänkel wird heiße Schlacht. In Rekordgeschwindigkeit erhitzen sich die Gemüter auf Hochofenniveau. Zu kurzen Verschnaufpausen laden nur die eingestreuten Kostbarkeiten des Hundefühlers ein.
     
    Hundeforum > Gesundheit > Kastration – Wird Rudi ruhiger?

    Heute 19:23
hundefühler
#45
    Erst prüfen, ob durch Umgang-Haltungsveränderung der Sexualtrieb mittels konsequenter Hunde-Führ ungsmaßnahmen auf ein Normalmaß gebracht werden kann. Empfiehlt froh und leise – der Hundefühler.
     
    Die Gefechtsparteien halten inne und reiben sich beim Lesen verwundert die Augen. Kapiert hat es keiner so richtig. Sicherheitshalber wird eine Weile auf die gewöhnungsbedürftige Syntax des armen Mannes eingedroschen. Da kann man nichts verkehrt machen. Anschließend kehrt die Gemeinde zur Kastration zurück und schweift danach nahtlos ins Reizthema Kupieren ab.

    Da werden ja auch Sachen abgeschnitten, passt also zum Thema.
    Meine absoluten Lieblinge unter den Threads aber beginnen mit einem fröhlichen »Supi, unsere Tina hat Junge gekriegt. Ich stell mal ein paar Fotos hier rein.«
    Die Fotos zeigen eine Bande zuckersüßer Lastrami-Welpen. Die Lastramis – Landstraßenmischungen – sehen zum Knutschen aus. Dennoch höre ich vor meinem geistigen Ohr, wie die versammelte Foren-Gemeinde tief, tief Luft holt.
    Das wird jetzt ganz großes Kino.
    Ich gehe Popcorn holen.
    Kaum zurück am Computer ist die erste Replik bereits da.
    Es ist immer dieselbe. Sie ist verschlagen, listig zischend wie die Schlange Ka aus dem Dschungelbuch : »Das ist ja toll. Herzlichen Glückwunsch. Wasss issst das für eine Rassse?«
    Tinas Frauchen ahnt nichts Böses und plaudert sich locker ins Verderben: »Tina ist unser Border-Mädchen, und als sie läufig war, hat mein Mann kurz nicht aufgepasst, und das hat Jockel, der Terrier von gegenüber, ausgenutzt. Wir freuen uns alle so.«
    Die folgende Antwort wird mit neunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit während des Fingernagelfeilens getippt: »So so, ein Unfallwurf?«
    Noch während Tinas Frauchen an ihrer Antwort arbeitet, schlagen die nächsten Treffer ein:
    »Ach, ihr züchtet gar nicht?«
    »Ihr seid nicht im VDH?«
    »Du weißt aber schon, wie man das nennt, oder?«
    »Ihr seid Vermehrer.«
    »Ich verabscheue Vermehrer.«
    »Und unsere Tierheime quellen über!«

    Darauf haben alle gewartet. An diesem Punkt gibt es kein Halten mehr. Die Empörungswelle schwappt die komplette Inlands- und Auslandstierschutzthematik hoch und runter. Hunde aus Griechenland suchen ein Zuhause. Hunde aus Bottrop auch. Vermehrerfarmen in Rumänien arbeiten mit kriminellen Methoden. Auf polnischen Märkten werden Welpen aus dem Kofferraum heraus verkauft. Alle
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