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Herbstbringer (German Edition)

Herbstbringer (German Edition)

Titel: Herbstbringer (German Edition)
Autoren: Björn Springorum
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sie die Beherrschung. Mit einer Schnelligkeit, die jegliche physikalische Gesetze verhöhnte, riss sie den Kopf herum und grub ihre Zähne so fest sie konnte in Elias’ Hals. Sie wusste längst, dass ihre Stärke nicht auf ihn übergehen würde. Das alles war nur eine Lüge gewesen, er hatte nur gewollt, dass sie sich verriet – direkt vor seinen unbarmherzigen Augen. Das erste Mal vermisste sie ihre spitzen Zähne. Sie musste mit aller Kraft zubeißen, um seine ledrige Haut zu durchdringen. Endlich spürte sie, wie das Gewebe nachgab und ihr Gebiss sich tief in sein sehniges Fleisch hineingrub. Er schrie, doch Emily konnte nicht sagen, ob aus Schmerz oder aus Wut. Wahrscheinlich beides.
    Dickflüssiges Blut floss zwischen ihren Zähnen hindurch, strömte zäh wie Sirup in ihren Mund. Es brachte sie an den Rand der Besinnungslosigkeit, erfüllte sie mit einem so starken Ekel, dass sie am liebsten sofort abgelassen hätte. Sie riss ihren Kiefer hin und her, verbiss sich immer tiefer in sein Fleisch. Dann ließ sie von ihm ab.
    Der Nebelschleier lichtete sich, und es war, als würde die Zeit mit einem Ruck weiterlaufen.
    Sie würgte pechschwarzes Blut hervor und blickte es mit fasziniertem Horror an. Das war es also. Sie hatte Blut getrunken, hatte sich zu erkennen gegeben.
    Es konnten erst einige Sekunden vergangen sein, und doch schien es ihr wie eine Ewigkeit, seit sie die übrigen Ereignisse auf dem verwitterten Friedhof bewusst wahrgenommen hatte.
    Elias lag neben ihr auf dem Boden, sein schmerzverzerrtes Gesicht über und über voller zähflüssigem, schwärzlichem Blut. Aaron ließ von Jake ab. Gierig blickte er zu Elias. Auf ein stummes Kommando von Michael hin stürmte er los und stürzte sich mit einem gurgelnden Schrei auf ihn.
    Hastig robbte Emily von den beiden Vampiren weg. Und fand sich Michael gegenüber.
    Langsam näherte er sich. Sein Schritt gelassen, seine Miene beherrscht. Und kein Ausweg in Sicht. Sie rappelte sich auf. Übelkeit übermannte sie. Wie viel Blut hatte sie geschluckt? Sie musste würgen, unterdrückte den Reiz aber. Michael hatte sie fast erreicht. Noch immer fehlte jede Spur von anderen Vampiren. Dennoch war sie sich sicher, dass sie nicht allein auf dem Friedhof waren.
    Sie riskierte einen raschen Blick zu Jake, der zusammengekauert an dem Grabstein lehnte. Nackte Panik lag in seinem Blick, doch er lebte.
    Heftige Krämpfe schüttelten sie, zwangen sie auf die Knie.
    »Aaah«, machte Michael. Ein triumphierendes Funkeln glomm in seinen Augen. »Willkommen zurück in unserer Welt, Levana.«
    Emily versuchte, den Worten einen Sinn abzuringen. Dann spürte sie es. Die Übelkeit ebbte ab, wurde postwendend durch ein Gefühl ersetzt, das sie zutiefst erschütterte. Genugtuung über den Biss. Nein, nicht nur Genugtuung. Euphorie.
    Und was war das? Ihre Zunge fuhr über Eckzähne, die alles andere als kurz waren. Sie wurden wieder spitz! Nun gab es kein Zurück mehr. Selbst wenn sie diesen Friedhof lebendig verlassen sollte: Sie wäre auf ewig eine Gejagte unter den Vampiren, eine Gefürchtete unter den Menschen. Eine Geächtete, die nirgendwo zu Hause war.
    Statt der Trauer, die sie erwartet hatte, durchströmte sie bei dieser Erkenntnis eine tiefe Gelassenheit. So klar wie nie zuvor überblickte sie ihre Situation. Und sah Michael an, der sich direkt vor ihr aufgebaut hatte.
    »Jetzt also zu uns«, sagte er mit ruhiger und dennoch durchdringender Stimme. »Endlich. Ich habe viel zu viele Jahrzehnte auf diesen Moment warten müssen. Viel zu viele geschmacklose Menschen getötet. Viel zu viele unfähige Könige und Königinnen kommen und gehen sehen. Von den debilen Prinzen ganz zu schweigen. Ob es so sein wird, wie ich es mir immer vorgestellt habe?« Ein boshaftes Lächeln kroch seine Mundwinkel empor. »Nein … ich glaube, es wird sogar besser.«
    In der grotesken Parodie einer väterlichen Pose ging er vor ihr auf die Knie, bis ihre Gesichter auf Augenhöhe waren.
    »Ich habe mir oft ausgemalt, wie es sein wird, dir am Ende gegenüberzustehen. Ob du dazu gezwungen werden musst, dich zu dir selbst zu bekennen, oder doch nicht anders kannst, als deiner Art gerecht zu werden. Ich hatte allerdings nie einen Zweifel daran, dass ich es sein würde, der dich als Erster zu fassen bekommt.« Er blickte beinahe mitleidig zu Nosophoros hinüber, der Aarons Ansturm verzweifelt Gegenwehr leistete und versuchte, sich in eine nahe Gruft zu retten. »Sicher, ich hätte mit hundert Mann anrücken
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