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Hendrikje, Voruebergehend Erschossen

Hendrikje, Voruebergehend Erschossen

Titel: Hendrikje, Voruebergehend Erschossen
Autoren: Ulrike Purschke
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ihren Job zurückhaben will, denn die jungen Hühner, die sonst bei ihr anheuern, die hören alle nach drei Wochen wieder auf. Und Hendrikje fragt Goebbels, ob sie sich darüber schon mal Meditationen gemacht hat …
     
    Einmal hat eine junge Mutter im Café versucht, eine volle Windel unter dem Stuhl, auf dem sie saß, verschwinden zu lassen und bekam von Hendrikje Hausverbot. Einmal haben zwei Verliebte wie verrückt geknutscht im Café, und Hendrikje hat sich das freundlich verbeten. Einmal hat wieder der Bilderbuchhanseat im Nadelstreifenanzug mit dem offenbar sehr hartnäckigen Fußpilz sein Fläschchen mit der Tinktur bereits auf den Tisch neben seine Champagnerschale gestellt und war im Begriff, seine Schuhe auszuziehen, da hat Hendrikje ihn gefragt, ob sie ihm ein Glas Wasser bringen dürfte, damit er seine Tropfen
einnehmen
kann. Und da wurde der rot und zog seine Schuhe gleich wieder an.
 
    Im Mai heiraten Hendrikje und Bruno. Paula und Dieter sind die Trauzeugen und Paula bringt das Schmuckkästchen, das vor den Russen im Mai ’45 gerettete Schmuckkästchen, zu diesem schönen Anlass zurück.
     
    Bruno arbeitet morgens in seinem Arbeitszimmer und macht am Nachmittag Museumsführungen, und Hendrikje ist entweder im Café oder auf dem Dachboden am Malen. Und am Abend kocht Bruno und Hendrikje schmeißt die Waschmaschine an, die sie gekauft hat, und dann erzählen sie sich was beim Essen und sie haben sich viel zu erzählen, denn ihre Tage sind voll. Und am Abend gehen sie schlafen und machen Liebe. Stünde man vor ihrer Tür und lauschte, dann würde man fast nichts hören. Man würde manchmal das Bauschen einer Bettdecke hören, manchmal einen gedehnten Atmer und ganz manchmal einen fernen, fernen Feengesang und ein Lachen, einen tiefen Seufzer oder ein Flüstern. Man wüsste nicht wirklich, was hinter der Tür geschieht, aber wenn Bruno und Hendrikje herauskommen aus dem Schlafzimmer, dann haben sie die Gesichter von Engeln.
     
    Am Morgen steht Hendrikje als Erste auf, leise, um Bruno nicht zu wecken, zieht sich an und kocht Kaffee und bringt Bruno davon eine Tasse ans Bett. Bruno wird dann wach, steht auch auf und zieht sich den Schlafanzug an, der am Abend zuvor vernachlässigt wurde, und beginnt, in der Küche Spiegeleier zum Frühstück zu braten, während Hendrikje die Zeitung holt. Und dann kommt Hendrikje zurück mit der Zeitung und die Eier sind fertig und Bruno teilt liebevoll die Zeitung auf nach dem bewährten System: Sport und Politik für den Herrn, Feuilleton und Kolumne für die Dame.
Aber was muss Hendrikje hier lesen? Was um Himmels willen schreibt da Sugar Brown?
    Sieg! Sieg! Sieg! Ich habe das widerspenstigste Mädchen der Stadt gezähmt! Sie hat mich geheiratet und ich bin ihr Mann. Sie war Kellnerin in meinem Stammcafé und hasste mich so sehr, dass sie von jedem Schluck Espresso, den ich nahm, wünschte, er möge mir im Halse stecken bleiben – und nun bringt sie mir jeden Morgen den Kaffee ans Bett, und schön leise, wie ich das mag. Sie schämte sich für meine Socken, aber jetzt wäscht sie sie eigenhändig. Sie wünschte mich zu den Affen im Zoo, teilt aber nun meine Wohnung mit mir.
    Der Leser mag sich fragen, was ich an so einer finde – nun ja. Sie ist hoch verschuldet und selbstmordgefährdet, sie hat im Gefängnis gesessen und riecht immer nach Terpentin.
    Aber ich, der ich kein Adonis bin, der ich kurz-und weitsichtig, schüchtern und ein verkrachter Professor bin, ich bin froh, dass sie irgendwann über mich herfiel und mich unbedingt wollte. Und wie es dazu kam? Warum sie ihre Meinung änderte?
Freunde, ich habe sie zappeln lassen! Ich habe sie zappeln lassen, in Ruhe gewartet, bis die Nebenbuhler tot waren, und mich heimlich unentbehrlich gemacht. Irgendwann war ich schlicht der Einzige, der noch Mitleid mit ihr hatte, und sie denkt heute noch, ich hätte ihr das Leben gerettet. So ist das mit der Liebe. Es ist Voodoo und Hexerei und schwarze Magie, und ich kann es nur jedem empfehlen.
    Ihr
    Sugar Brown, Ehemann
Über alle Maßen entsetzt und über alle erdenklichen Maßen beschämt lässt Hendrikje mit offenem Mund die Zeitung sinken. Endlich, endlich merkt sie, wen sie geheiratet hat.
    »Eins noch«, sagt Bruno zu seiner Ehefrau, »das Geld, das der Vatikan Michelangelo für die Sixtinische Kapelle versprochen hatte, hat er nie gekriegt.«
    Und er lugt mit seiner Lesebrille über seinen Zeitungsrand und lacht Hendrikje stolz und verwegen an.

Nachwort
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