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Haertetest

Haertetest

Titel: Haertetest
Autoren: Katri Dietz
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Hamburg. Du bist Hamburg. Das Gefühl machte mich froh und stolz. Ich saß hier, ich gehörte dazu und konnte auf jede Frage, wo denn welcher Arthouse-Film lief, wo man Sushi oder indisch essen konnte, wo man hippe Secondhandsachen bekam oder wo das neue Designeroutlet war, Auskunft geben.
    Alle von uns hatten Kinder, das schweißte uns zusammen. Wir bildeten unsere eigene kleine  Mütter- Mafia ,  hatten aber außerhalb der Redaktionszeiten nicht viel miteinander zu tun. Einmal waren wir abends zusammen feiern gewesen, in der Hoffnung, alte Partyzeiten wieder aufleben lassen zu können. Es war eine einzige Katastrophe geworden. Im  Herz von St. Pauli,  einem beliebten Club auf der Reeperbahn, hatte Katja unsere Runde verlassen, noch bevor der erste Cocktail serviert werden konnte, weil ihre dreijährige Tochter sich eine Erbse durch die Nase fast bis ins Gehirn geschoben hatte und ins Krankenhaus musste.
    Nach dem zweiten Cocktail verabschiedete sich Bianca, weil sie Kopfschmerzen hatte und am nächsten Morgen früh raus musste. Wir buhten sie aus und riefen ihr wüste Beschimpfungen und Drohungen hinterher. Das hielt sie aber nicht vom Gehen ab. Nach dem dritten Cocktail fuhr auch Jojo fluchend nach Hause: Ihr Mann hatte angerufen, weil er das Baby nicht beruhigen konnte. Trotz der lauten Musik konnten wir den kleinen Jannik im ganzen Laden durchs Handy brüllen hören.
    Blieben noch Tanja und ich. Wir schlurften bis um eins über den Kiez und lauschten mit dröhnenden Kopfschmerzen den lauten Bässen aus den Discos auf der Suche nach der Freiheit und Leichtigkeit von früher. Einmal wieder Partyluft schnuppern, mehr wollten wir doch gar nicht! Das Einzige, was wir schnupperten, war die schlechte Luft in den Kneipen, Erbrochenes auf den Toiletten und Mundgeruch von aufdringlich-balzbereiten Studenten, die meinten, wir wären noch Singles, kinderlos und heiß auf einen One-Night-Stand.
    Ein älterer Herr, des Deutschen offensichtlich nicht mächtig, hielt mich, warum auch immer, wohl für eine der Hamburger Huren und sprach mich mit den Worten an: »Du wolle ficki-ficki?« Nein, danke, ich wolle kotzi-kotzi. Und dann schnell nach Hause.
    Es endete gegen halb zwei damit, dass es uns am  Hamburger Berg,  unserem alternativ angehauchten Tanzbezirk von früher, zu laut und zu voll war und wir dagegen nicht laut und nicht voll genug waren. Lieber statteten wir »unserem« Dönermann Vladimir, der aus Italien kam und neben unserer Redaktion seinen griechischen Imbiss eröffnet hatte, noch einen Besuch ab. Unsere Autos standen auf dem Parkplatz der Redaktion, und viel hatten wir nicht getrunken. Im grellen Neonlicht der Imbissbude zogen Tanja und ich genüsslich stöhnend und lachend unsere hochhackigen Schuhe aus und aßen Krautsalat. Vladimir gab uns noch einen Sekt aus. Das hob die Stimmung, und als er Radio Hamburg ein bisschen lauter machte, tanzten Tanja und ich auf Strümpfen zu Kylie Minogue vor der gläsernen Vitrine mit Antipasti. Das war dann schön.
    Beim Abschied versprachen wir uns, das zu wiederholen.
    Das war vor einem halben Jahr gewesen, und wir hatten es alle nicht mehr angesprochen. Aber seitdem war Vladimir besonders freundlich zu uns.
    »Aaaaah, bella Mamma, habte ihre so schön getanzte in meine Lade!«, verkündete er nun jedes Mal, wenn wir uns einen Döner holten, und zwinkerte uns dabei zu. Ich glaube, er hatte sich ein bisschen in uns verliebt.
    Tanja saß mir jetzt am Schreibtisch gegenüber, wie immer ein strahlender Anblick. Sie hatte sich ein leuchtend rotes Haarband in die vollen, dunklen Locken geknotet, sehr sexy, sehr retro. Trotzdem war sie genauso einfallslos wie ich.
    »Habt ihr den  Treuetest  heute gehört?«, fragte ich die Mädels. Vier Köpfe drehten sich zu mir um. Ich hatte ins Schwarze getroffen.
    »Ich mag so was ja eigentlich nicht«, sagte Bianca und klackerte dann schnell einen Satz in ihre Tastatur.
    »Ich auch nicht«, versicherte Jojo, »aber heute, das war echt krass, da konnte man auch irgendwie nicht wegschalten, ich war wie gefesselt.«
    »Der arme Typ!«, warf Katja ein, und schon war eine lebhafte Diskussion im Gange.
    »Was, armer Typ?«, empörte ich mich, die anderen waren ebenfalls entrüstet. Ich stellte mir vor, Jonas würde in flagranti in den Fängen seiner Praktikantin erwischt. »Von wegen, armer Typ – das hätte er sich ja auch vorher überlegen können!«
    Bianca stimmte mir zu. »Ja, das gehört sich nicht, stimmt schon, aber mal
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