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Goldener Reiter: Roman (German Edition)

Goldener Reiter: Roman (German Edition)

Titel: Goldener Reiter: Roman (German Edition)
Autoren: Michael Weins
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Dirk. Ich stelle die Cola vor ihn auf den Tisch. René kramt in seinem Portemonnaie. Fünf Mark, sagt er.
     
    13
    Ich sitze auf dem Teppich und schaue den Fernseher an. Im Fernseher sieht man das geschminkte Gesicht von einem Mann. Der Mann trägt eine Fledermausmaske. Der Mann hat schwarze Locken, die er auf der Stirn zu einem Büschel hochgebunden hat. Er hat schwarze Augen, mit denen er mich anschaut. Er schaut in meine Augen. Er zuckt mit keiner Wimper, sondern schaut mich nur an, wie ich vor ihm auf dem Teppich sitze. Der Mann lächelt. Sein Kopf zuckt nach vorne. Blut läuft sein Kinn hinab. Blut fließt den Hals hinunter. Das Blut kommt aus seinem Mund. Er schüttelt den Kopf und das Blut fliegt. Es fliegt in seine Haare. Es fließt über seinen Echsenpanzer. Es tropft auf den Bass, den der Mann umgehängt hat, auf dem er spielt. Ein Bass mit einer Klinge, ein Henkerbeil-Bass. Ich stehe im Nebel und schaue zu dem dunklen Mann hoch. Ich bin klein und er ist sehr groß auf diesen Stiefeln. Die Musik ist laut. Sie donnert und wogt über mich hinweg. Er neigt den Kopf und schaut auf mich herab. Sein Maul zuckt und ein Tropfen Blut fällt auf meine Stirn. Er öffnet das Maul und lässt seine Zunge hervorschnellen. Die Zunge ist in der Mitte gespalten, wie bei einer Schlange. Sie ist viel länger als eine Menschenzunge. Er schaut mich aus diesen schwarzen Augen an. Es ist ein Funkeln in diesen Augen. Ich schaue das schwarze Funkeln an und die Musik braust um mich herum. Ich kann sie fühlen, wie man einen Wind fühlt. Ich starre in die Augen des Mannes, aber dann muss ich aufhören zu starren, weil neben mir eine Gitarre explodiert. Der Gitarrist hat seine Gitarre explodieren lassen. Die Gitarre brennt neben mir. Es ist heiß an meinem Arm. Ich schaue den Mann am Bass an. Ich starre das Henkerbeil an, über das seine Finger fliegen. Ich schaue die schwarzen Flügel unter seinen Armen an. Dann wird es zu heiß an meinem Arm. Es wird zu laut. Ich kehre in das Wohnzimmer zurück. Ich fasse neben mich auf den Boden. Teppichboden. Ich sitze bei Dirk im Wohnzimmer. Die Musik kommt aus dem Fernseher. Es sind KISS. Es ist ein flaues Gefühl in meinem Bauch. Ich kneife mich in die Handfläche.
    Wow, sagt Dirk neben mir. Er fährt sich durch die Haare. Wow wow wow wow.
     
    14
    Es ist Nacht. Es ist mitten in der Nacht und ich bin aufgewacht. Ich liege da und sehe die Schatten an, die das Licht der Autobahn in mein Zimmer wirft. Das Licht der Autobahn ist orange. Die Schatten kommen von den Ästen des Kirschbaums. Früher habe ich gedacht, dass die Schatten wie Gespensterarme aussehen. Heute weiß ich, dass es bloß die Äste vom Kirschbaum sind. Früher habe ich auch gedacht, dass ein Gespenst in meinem Schrank wohnt. Die Schatten bewegen sich, das heißt, dass es draußen windig ist. Ich höre die Stimme meiner Mutter aus dem Flur. Es ist mitten in der Nacht und meine Mutter spricht im Flur. Ich kann nicht verstehen, was sie sagt. Ich höre nur, dass meine Mutter wütend ist. Die Stimme meiner Mutter klingt wütend. Sie spricht schnell. Ich schaue meinen Wecker mit den leuchtenden Zeigern an. Es ist zwanzig nach drei. Meine Mutter spricht im Flur.
    Ich schleiche zur Zimmertür. Im Flur brennt Licht. Ich stehe an der Tür. Die Tür ist angelehnt. Meine Mutter telefoniert. Sie spricht mit einer gepressten Stimme. Es klingt, als würde sie ihre eigene Stimme in den Schwitzkasten nehmen. Es klingt, als würde sie brüllen, wenn sie ihre Stimme nicht pressen würde.
    Das bist du selbst, sagt meine Mutter.
    Die Treppe knarzt unter meinen Füßen. Sie drückt den Hörer auf die Gabel.
    Mit wem hast du telefoniert?, frage ich. Ich bin die Treppe hinuntergegangen. Meine Mutter sitzt auf der vorletzten Stufe der Treppe.
    Du sollst schon lange schlafen, sagt sie. Es ist mitten in der Nacht.
    Mit wem hast du telefoniert?, frage ich.
    Meine Mutter schaut mich an. Sie hat ihren Morgenmantel an. Meine Mutter hat ein blasses Gesicht. Sie hat geweint, das sehe ich, weil ihre Augen rot sind. Du hast geweint, sage ich.
    Du musst ins Bett, sagt meine Mutter. Du musst morgen zur Schule.
    Mit wem hast du telefoniert?, frage ich. Ich gehe erst ins Bett, wenn du mir sagst, mit wem du telefoniert hast.
    Meine Mutter zündet sich eine Zigarette an. Sie hat ihren Aschenbecher neben sich stehen. Der Aschenbecher hat einen Deckel, den man zuklappen kann, um die Glut zu ersticken. Mit deiner Großmutter, sagt meine Mutter.
    Du bist wütend gewesen, sage
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