Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goettin in Gummistiefeln

Goettin in Gummistiefeln

Titel: Goettin in Gummistiefeln
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Minuten deiner Zeit so viel wert sind. Sie müssen es so sehen: Wenn ich sechs Minuten einfach so verstreichen ließe, würde das die Firma glatte fünfzig Pfund kosten. Zwölf Minuten: hundert Pfund. Achtzehn Minuten: hundertfünfzig.
    Wie gesagt, bei Carter Spink wird nicht Däumchen gedreht.

2
    Als ich schnaufend in mein Büro platze, erwartet mich Ketterman bereits wie ein aufziehendes Unwetter. Sein Blick ist mit einem Ausdruck des Missfallens, ja Ekels auf das Chaos auf und um meinen Schreibtisch herum gerichtet.
    Es ist schon wahr, mein Arbeitsplatz ist nicht gerade der Allerordentlichste. Tatsächlich ... ist es der reinste Saustall. Aber ich habe ganz fest vor, mal gründlich aufzuräumen! Sobald ich Zeit habe. Einschließlich der wackeligen, staubigen alten Aktenstapel, die meinen Schreibtisch umschließen, wie ein Ring Felsbrocken ein zugewachsenes Eiland.
    »Meeting in zehn Minuten«, verkündet er mit Blick auf seine Uhr. »Überprüfen Sie vorher bitte noch einmal den Finanzierungsentwurf.«
    »Selbstverständlich«, antworte ich, um Gelassenheit bemüht. Nicht einfach bei einem Menschen, der einen derartig einschüchtert wie Ketterman.
    Und das ist noch eine seiner liebenswerteren Seiten. Der Mann verströmt eine furchteinflößende, messerscharfe Geisteskraft, wie andere Männer ihr Aftershave. Aber heute ist es noch tausendmal schlimmer, denn Ketterman gehört zum dreizehnköpfigen Gremium von Seniorpartnern, das darüber entscheidet, wer als neuer Seniorpartner in ihren erlauchten Kreis aufgenommen wird. Ein Meeting, das morgen stattfindet.
    Ja, morgen werde ich erfahren, ob ich es geschafft habe oder ob ich mein Leben als einen Riesenreinfall verbuchen muss.
    Ob ich unter Druck stehe? Ob ich unter Druck stehe?!
    »Der Entwurf ist ... hab ihn gleich ...« Ich greife in einen Aktenstapel und ziehe etwas, das sich wie ein Ordner anfühlt, heraus und präsentiere ihn mit einer schwungvoll-triumphierenden Geste.
    Es ist eine Schachtel mit alten Donuts.
    Hastig stopfe ich sie in den Papierkorb. »Er ist hier irgendwo ... ganz bestimmt ...« Panisch wühle ich in meinem Saustall. Gott sei‘s gedankt: »Da ist er!«
    »Ich weiß wirklich nicht, wie Sie in dieser Unordnung vernünftig arbeiten können, Samantha.« Kettermans Stimme ist dünn und sarkastisch, sein Gesicht vollkommen humorlos.
    »Na wenigstens habe ich immer alles zur Hand!«, versuche ich mit einem kleinen Lachen zu scherzen, doch Kettermans Miene bleibt ungerührt. Nervös ziehe ich meinen Stuhl zurück und prompt rutscht ein Stapel Briefe, den ich völlig vergessen hatte, in einem Schwall von der Sitzfläche.
    »Wissen Sie, dass es früher Vorschrift war, den Schreibtisch jeden Abend aufzuräumen?« Kettermans Ton ist stählern. »Vielleicht sollten wir diese Regel wieder einführen.«
    »Ja, vielleicht!«, stammle ich mit einem panischen Lächeln. Der Mann macht mich immer nervöser.
    »Samantha!«, dröhnt in diesem Moment eine joviale Stimme an mein verschrecktes Ohr. Ich drehe mich um und sehe Arnold Saville durch den Korridor auf uns zukommen.
    Arnold ist mir der liebste von allen Seniorpartnern. Er hat eine buschige graue Löwenmähne, die immer ein bisschen so aussieht, als würde sie besser zu einem Dirigenten oder Einsteinverschnitt passen als zu einem Anwalt. Außerdem hat er einen recht eigenwilligen Geschmack, was seine Krawatten betrifft. Heute zum Beispiel trägt er eine knallrote Paisleykreation mit dazu passendem Tüchlein in der Brusttasche des Sakkos. Er begrüßt mich mit einem breiten Grinsen, und ich kann nicht anders, als erleichtert zurückzugrinsen. Sofort werde ich wieder ein wenig ruhiger.
    Ich bin mir ganz sicher, dass Arnold sich bei der Versammlung für mich einsetzen wird. Ebenso sicher bin ich, dass Ketterman gegen mich votieren wird. Arnold ist der Freigeist unter den Seniorpartnern, er setzt sich auch einmal über die Regeln hinweg, kümmert sich nicht um Nebensächlichkeiten wie einen versauten Schreibtisch.
    »Belobigungsschreiben, beste Samantha!«, verkündet er strahlend und wedelt dabei mit einem Zettel. »Von keinen Geringeren als den Gleiman Brothers, stellen Sie sich vor.«
    Ich nehme ihm den Zettel ab und überfliege ihn überrascht. »... sehr zu schätzen ... stets überaus professionell ...«
    »Sie haben denen wohl ein paar Milliönchen eingespart, mit denen sie gar nicht mehr gerechnet hätten.« Arnold zwinkert mir zu. »Die sind richtig entzückt.«
    »Ah, ja.« Ich erröte ein wenig.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher