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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi
Autoren: Stefan König
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gefragt. Aber natürlich
wusste er, dass er damit seinem Kollegen nur noch mehr Stress gemacht hätte.
Wasle würde sich rühren, sobald Bewegung in die Sache gekommen wäre. Natürlich
würde er sich rühren.
    Eine halbe Stunde später, als er sich zusammen mit den
Bergrettungsleuten und Marielle und Pablo im Abstieg befand, begann es zu
nieseln. Der Regen, der auf die Erde, die Steine, die Pflanzen fiel, erzeugte
einen würzigen und sehr angenehmen Duft.
    Hosp, der den Bergen sonst wenig abgewinnen konnte, atmete diese
wohlriechende Luft ganz tief ein. Und für einen Moment überkam ihn das Gefühl,
dass es schön gewesen wäre, länger auf der Hütte zu bleiben – vorausgesetzt, er
hätte diesen Unglücksfall und die beiden Morde nicht am Hals gehabt. Einfach
nur vor der Hütte sitzen, eine Kleinigkeit essen, ein Bier trinken oder ein
Viertel Roten, ein Buch lesen – er hatte kürzlich einen Roman von Julian Barnes
geschenkt bekommen und war noch gar nicht dazu gekommen, mehr zu lesen als den
Titel – der ihm im Augenblick gar nicht einfiel – und den Aufkleber
»Booker-Preis« – und ab und zu ein Blick in die Landschaft … Hosp spürte das
Beruhigende, das allein schon von dieser Vorstellung ausging.
    Ich muss mal wieder raus. Urlaub machen. Wegfahren. Die Stadt und
die Toten hinter mir lassen. Das würde mir wirklich guttun.
    Doch dann sah er wieder aufs Mobiltelefon und verging vor Neugier
und Aufregung. Warum rief Wasle nicht an? Die Sache musste längst laufen,
eigentlich bereits schon durchgezogen sein.
    Er spürte ein leichtes Ziehen in der Brust, wie es ihm seit längerer
Zeit schon nicht mehr fremd war. Bisweilen befiel ihn das, ohne ihm noch große
Angst einzujagen. Sein EKG war doch in Ordnung.
    Jetzt aber … jetzt hätte er sich gerne wo hingesetzt … auf einen
Stein neben dem Weg … aber die anderen gingen drauflos, mit ausholenden
Schritten, jung oder zumindest vital genug, um gar nicht ahnen zu können, wie
es ihm, dem Kommissar, mit seinem Älterwerden und mit seinen dienstlichen
Sorgen gerade erging.
    Ich werde Urlaub machen, dachte er. Wenn diese Sache durch ist,
mache ich Urlaub.
    *
    Der Postbote trat, ein Päckchen in beiden Händen vor seinem
Körper haltend, einen Schritt von der Wohnungstür zurück. Sein Name war Eugen
Raffl, und er war ein guter und erfahrener Polizist, hatte einige
Auszeichnungen bei polizeiinternen Schießwettbewerben erhalten und hatte sich
zudem dadurch hervorgetan, dass er sich in der Freizeit dem Kampfsport und der
Selbstverteidigung widmete, Jugendliche trainierte, sich selbst dabei in hohem
Maße fit hielt.
    Die Waffe hatte er sich am verlängerten Rückgrat in den Hosenbund
geschoben; die ärmellose Postlerweste verdeckte das ganz gut. Er hatte nicht
läuten müssen. Er hatte in der Wohnung näher kommende Schritte gehört, war ein
wenig zurückgetreten, und schon war die Tür geöffnet worden. Von einem Mann,
wahrscheinlich jenem, dessen Stimme er durch die Sprechanlage gehört hatte.
    »Herr Tinhofer?«, fragte er, wissend, dass es den Herrn Tinhofer
nicht mehr gab.
    Der Mann, der groß und kräftig war, einen ziemlich athletischen
Eindruck machte, schüttelte verneinend den Kopf.
    »Sie sind also nicht Herr Tinhofer?« Raffl sah auf den
Anschriftsaufkleber am Päckchen und sagte: »Ich hätte nämlich eine Sendung für
Frau Tinhofer.«
    »Die ist krank«, sagte der Mann. »Kann ich …?«
    »Nein«, sagte Raffl. »Das ist eine eingeschriebene Sendung, da
müsste sie den Empfang schon persönlich bestätigen. Außer eben, Sie wären Ihr
Ehemann. Aber das sind Sie ja nicht. Kann sie nicht kurz an die Tür kommen?«
    Der Mann schüttelte wieder den Kopf. »Liegt in Bett. Sehr krank.
Fieber, verstehen Sie. Aber … ich meine … wenn Sie zu ihr reinkommen …
unterschreiben wird sie schon können …«
    Raffl zögerte. Es konnte eine Falle sein. Falls dieser Mann der war,
den sie suchten … Nur, was hätte der davon, ihn in die Wohnung zu locken, wo er
doch zweifelsohne Informationen bekäme über den Verbleib beziehungsweise die
Situation der Frau?
    Raffl trat ein. Er war gut trainiert und fühlte sich stark und jeder
Eins-gegen-eins-Auseinandersetzung gewachsen. Da war ein Risiko, das wusste er,
doch er hatte keine Angst. Und er glaubte, dieses Risiko in Kauf nehmen zu
können.
    Darin täuschte er sich …
    *
    »Ich kann hier nicht herumhocken und warten«, sagte
Schwarzenbacher. »Das bringt mich um. Ich fahre jetzt einmal um den Block.
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