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GK453 - Wolfsmond

GK453 - Wolfsmond

Titel: GK453 - Wolfsmond
Autoren: A.F.Morland
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erwarten?
    »Charlotte«, sagte Paula geistesabwesend. »Charlotte Lane.«
    Das war ihre beste Freundin. Sie wußte von James’ Verschwinden, wohnte nicht weit von hier und hatte ihr schon gestern das Angebot gemacht, sie möge doch für eine Weile zu ihr ziehen, damit sie sich den Kummer teilen konnten. Charlotte würde ihr helfen. Charlotte Lane war immer für sie da, wie auch Paula stets für die Freundin da war.
    Sie kannten einander seit der Schulzeit. Charlotte hatte es nicht so gut getroffen wie Paula, hatte bereits zwei gescheiterte Ehen hinter sich und stand seit einem Jahr recht selbstsicher auf eigenen Füßen.
    Paula Blackburn eilte zum Telefon. Flink wählte sie Charlottes Nummer. Klar und deutlich war Sekunden später die Stimme der Freundin zu hören.
    »Hat man James endlich gefunden?« fragte Charlotte.
    »Nein, leider immer noch nicht.«
    »Deine Stimme zittert, Liebes. Was ist mit dir?«
    Paula erzählte der Freundin von dem Anruf, der sie so sehr erschreckt hatte.
    »So ein Mistkerl!« sagte Charlotte entrüstet. »Was hat er davon, dir Angst zu machen?«
    »Darf ich… darf ich zu dir kommen, Charlotte? Ich schnappe allein in diesem Haus sonst über.«
    »Aber selbstverständlich. Ich habe dir doch schon gestern das Angebot gemacht.«
    »Ich dachte, ich müsse zu Hause sein, für den Fall, daß sich etwas Neues mit James ergibt.«
    »Nichts da, du kommst zu mir. Der Polizei teilen wir mit, daß du bis auf weiteres bei mir wohnst, und damit hat sich’s. Beeile dich, Liebes. Ich warte auf dich. Wir machen uns einen schönen Drink, und du wirst deine Angst bald wieder verlieren.«
    »Hoffentlich.«
    »Bestimmt. Zu zweit ist alles viel leichter zu ertragen als allein.«
    »Bis gleich«, sagte Paula. Und leise fügte sie hinzu: »Ich wüßte nicht, was ich ohne dich täte.«
    »Schon gut«, sagte Charlotte Lane. »Freunde sind schließlich dazu da, daß sie einem helfen, wenn man Hilfe nötig hat.«
    Paula legte auf. Sie holte im Schlafzimmer eine handliche Ledertasche aus dem Schrank und stopfte all die Dinge hinein, die sie mitnehmen wollte. Als sie im Bad nach der elektrischen Zahnbürste griff, zuckte sie heftig zusammen. Sie hatte ihr Gesicht im Spiegel erblickt. Fast fremd kam sie sich vor. Ungesund grau sah sie aus. Ihre Lider flatterten, und die nackte Furcht schaute aus ihren Augen. Hinzu kamen die Kummerfalten, die sie wegen James’ Verschwinden bekommen hatte. Schrecklich sah sie aus.
    Plötzlich erstarrte sie.
    Ein eisiger Schauer durchlief sie.
    Deutlich hatte sie gehört, wie etwas über die Haustüre kratzte.
    War der Kerl, der angerufen hatte, schon da?
    Paula wagte sich nicht zu regen. Überdeutlich vernahm sie das aufgeregte Pumpen ihres Herzens. Ihr Mund klaffte auf, und als sie endlich den Mut hatte, sich zu bewegen, schlich sie aus dem Badezimmer. Sie machte Furchtbares mit. Unwillkürlich fielen ihr die vier grausamen Morde ein. Alle waren in Clerkenwell verübt worden, und Paula wohnte in diesem Stadtteil.
    Sie konnte sich noch gut daran erinnern, daß sie nicht hierher ziehen wollte. Sie hatte eine unerklärbare Abneigung gegen diesen Bezirk gehabt, aber James hatte es verstanden, sie zu überreden. Er hatte es immer verstanden, sie herumzukriegen und seinen Willen durchzusetzen.
    »Sieh dir das Haus doch erst einmal an«, hatte er gesagt. »Und entscheide erst dann, ob du nach Clerkenwell gehen möchtest oder nicht.«
    Er war mit ihr hingefahren. Es war ein strahlender Sonnentag gewesen, im Garten, der sehr gepflegt gewirkt hatte, hatten die Zierbüsche geblüht. James hatte seine Frau über die Schwelle getragen, und ihr Rundgang durch das möblierte Haus hatte im Schlafzimmer geendet…
    Im Schlafzimmer hatte James immer erreicht, was er wollte.
    Paula schlich in die Diele. Die Eingangstür war teilweise verglast, und hinter dem undurchsichtigen Glas stand ein Mann. Groß und breitschultrig. So wie James. Aber Paula kam nicht auf den Gedanken, daß das ihr Mann sein konnte. Panik stieg in ihr hoch, und sie redete sich ein, daß der Kerl dort draußen mit jenem Mann identisch war, der vorhin am Telefon sein Kommen angekündigt hatte. Vielleicht war es sogar dieser grausame Mörder, der Clerkenwell unsicher machte.
    Paula Blackburn war nahe daran, durchzudrehen. Sie biß sich in die Hand, die sie sich zwischen die Zähne geschoben hatte. Schritt für Schritt wich sie von der Eingangstür zurück. Wie eine Diebin stahl sie sich davon. Zitternd schloß sie die Wohnzimmertür.
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