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GK047 - Die Höllenbrut

GK047 - Die Höllenbrut

Titel: GK047 - Die Höllenbrut
Autoren: A.F.Morland
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seinen Whisky. Er war schmalbrüstig, hatte das Gesicht eines Raubvogels und stechende Augen. Trotzdem war er eine Seele von einem Menschen.
    Nun stellte er das geleerte Glas vor sich auf den Tisch. Der Whisky umnebelte seinen Geist. Er sprach mit schwerer Zunge.
    »Habt ihr eine Ahnung, wie alt der Galgenbaum eigentlich schon ist?«
    Die anderen schüttelten den Kopf.
    »Verdammt alt«, meinte Farr.
    »Uralt«, sagte Tom Kollo, ein Mann mittleren Alters mit Stirnglatze.
    »Wie alt kann so ein Baum denn eigentlich werden, hm?«, fragte Holt.
    »Mensch du stellst vielleicht dämliche Fragen«, warf Delmer Jones grinsend ein. Er war schwarzhaarig, groß, hatte männliche Züge und dichte, buschige Augenbrauen. »Wen kümmert es schon, wie alt so ein Baum wird?«
    »Mich kümmert es!«, sagte Holt beleidigt.
    »Und warum?«
    »Weil ich glaube, dass mit diesem Baum seit jener Hinrichtung irgendetwas nicht stimmt.«
    »Blödsinn!«, sagte Jones.
    »Blödsinn, sagst du? Dann erklär mir doch mal, wieso der Baum nicht altert?«
    »Vielleicht tut er es. Ich kann das nicht beurteilen. Ich bin kein Botaniker. Und du auch nicht.«
    »Ich sage dir, der Baum hat sich seit hundert Jahren nicht verändert.«
    »Sieh mal an, ich wusste nicht, dass du schon so alt bist.«
    Holt winkte ärgerlich ab.
    »Du bist ein blöder Kerl. Mit dir kann man nicht reden.«
    »Fangt jetzt bloß nicht zu streiten an!«, rief Glenn Farr lachend dazwischen.
    »Trinken wir lieber noch ‘nen Schluck.«
    »Ich mache euch einen Vorschlag!«, ließ sich Tom Kollo nun vernehmen. »Wir trinken jetzt noch einen Schluck, wie Glenn vorgeschlagen hat, und dann brechen wir auf…«
    »Wohin denn?«, fiel ihm Holt ins Wort.
    »Wir gehen alle vier zum Galgenbaum, okay?«
    »Und was machen wir da?«, fragte Delmer Jones missmutig. Er wäre lieber in der Kneipe geblieben.
    »Wir sehen uns den Baum mal an«, sagte Kollo.
    »Auch schon was«, maulte Jones.
    »Hast du vielleicht Angst, mitten in der Nacht dorthin zu gehen?«, fragte Tom Kollo grinsend.
    »Angst? Ich und Angst! Junge, da kennst du mich aber schlecht. Wenn du willst, gehe ich jetzt gleich auf den Friedhof und buddle dort jeden Toten aus, den du haben willst. Angst habe ich nicht. Ich finde es nur kindisch, mitten in der Nacht zum Galgenbaum zu rennen, um zu sehen, ob er wirklich seit hundert Jahren nicht älter geworden ist.«
    Holt winkte den Wirt an den Tisch und bestellte die nächste Runde.
    Als sie den Whisky erhalten hatten, meinte John Holt mit gepresster Stimme: »Man sagt, dass die Hexen in dem Baum wohnen. Leute, die als mutig und furchtlos bekannt sind, haben die Hexen schreien und kichern gehört.«
    »Mensch, hör doch endlich mit dem Geisterquatsch auf!«, sagte Delmer Jones ärgerlich. »Nichts von dem ist doch wahr!«
    »Ich weiß nicht!«, sagte Holt unsicher.
    »Junge, ich hab gleich die Hosen voll, wenn du so weiterredest!«, sagte Glenn Farr grinsend.
    Sie tranken den Whisky aus. Jeder beglich beim Wirt seine Rechnung. Dann verließen sie zu viert die Kneipe. Sie gingen mit unsicheren Schritten durch das Dorf. Sie kicherten und lachten, versuchten einander Angst zu machen, erfanden selbst Geschichten über die verfluchten Hexen, die auch jetzt noch auf ihren glühenden Besen durch das Dorf ritten. Man musste nur die Augen offen halten, dann konnte man sie sehen.
    Lachend kamen sie am stillen kleinen Friedhof vorbei. Die Grabsteine schimmerten matt im silbrigen Mondlicht.
    Vom nahen Kirchturm ertönten zwölf Glockenschläge.
    »Mitternacht!«, sagte Delmer Jones, der Furchtlose. Er schaute seine Freunde grinsend an. »Geisterstunde! Wollt ihr weitergehen oder lieber umkehren?«
    »Wir gehen weiter!«, sagte John Holt bestimmt. Schon lange hatte er nachts mal zum Galgenbaum gehen wollen.
    Allein hätte er aber nie den Mut dazu aufgebracht.
    »Und wenn euch die Hexen dort nun den Hals umdrehen?«, fragte Jones grinsend.
    »Dann drehen sie ihn dir genauso um!«, gab Glenn Farr zurück. Er ließ sich nicht anmerken, dass ihm schon ein bisschen flau im Magen war. Er lachte lauter als die anderen, gab sich unbekümmert und furchtlos. Doch innerlich begannen seine Knie immer heftiger zu schlottern. Es war bestimmt keine gute Idee gewesen, gerade um Mitternacht zum Galgenbaum zu gehen.
    Kneifen kam für ihn natürlich nicht in Frage. Das Gespött der Freunde hätte ihn für alle Zeiten als Feigling gebrandmarkt und im ganzen Dorf unmöglich gemacht.
    Nein, kneifen kam für ihn nicht in
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