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Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Titel: Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
Autoren: Gisa Pauly
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Mutter war, ohne zu seufzen, und Lucia sogar von ihren Sorgen erzählen, ohne dass ihre Stimme vor Empörung zitterte.
    »Man muss ihn verstehen. Natürlich trauert er noch um dich, aber ist es nicht normal, dass ein Mann sich wieder nach der Nähe einer Frau sehnt?« Sie nahm das Bild ihrer Tochter in beide Hände und strich sanft über den Silberrahmen. »Aber doch nicht diese Frau! Du musst das verhindern, Lucia! Gib mir ein Zeichen, dass du dich darum kümmern wirst. Wenn die Wolken morgen früh tief hängen, dann weiß ich, dass du uns nahe bist. Dann kann ich sicher sein, dass du uns helfen wirst. Enrico darf sich nicht in diese Frau verlieben! Nicht in diese!«
    Sie hatte es gleich gespürt. Für die Liebe hatte sie einen sechsten Sinn, das war in ihrem Dorf überall bekannt. Hatte sie nicht die Verlobung der hübschen Krankengymnastin mit dem Sohn des größten Weinbauern schon vorhergesagt, ehe die beiden sich selbst über ihre Gefühle klar geworden waren? Und die Affäre des Bäckers mit der Frau des Notars hatte sie auch bemerkt, lange bevor der Notar seine Frau zum Teufel jagte.
    Als die blonde junge Frau mit dem schmalen, blassen Gesicht aus dem Hotel Feddersen trat, war eine Veränderung in Erik vorgegangen. So wie es bei dem Bäcker zu beobachten gewesen war, wenn die Frau des Notars bei ihm einkaufte. Winzig nur, aber Mamma Carlotta zögerte mit der Deutung dieser Nuancen keine Sekunde. Sie sah das sanfte Rot, das in Eriks Wangen stieg, bemerkte, wie er die Hände aus den Hosentaschen nahm und sich den Schnauzer glatt strich und dass er die Sonnenbrille, die er beim Autofahren getragen hatte, auf den Kopf schob, wie es der prahlerische junge Mann getan hatte, der in einem schwarzen Cabrio an ihnen vorbeigebraust war. Und dann begrüßte Erik die junge Frau mit einem Lächeln, das Carlotta erst ein einziges Mal an ihrem Schwiegersohn gesehen hatte. Damals, als er in ihr Dorf gekommen war und ihre Tochter Lucia zum ersten Mal erblickt hatte …
    Mamma Carlotta war fassungslos, als sich herausstellte, dass sie Valerie Feddersen vor sich hatte, die Frau des Hotelbesitzers. Wie konnte Erik sich in eine verheiratete Frau verlieben! Carlotta nahm sich vor, ihm bei nächster Gelegenheit ins Gewissen zu reden. Andererseits – war ihm überhaupt klar, was mit ihm geschah? Oder hatte er bisher nicht mehr als eine wundersame Anziehungskraft gespürt, ohne zu ahnen, welches Gefühl dahintersteckte? Dann war es falsch, ihn darauf hinzuweisen und ihn womöglich zu nötigen, Stellung zu beziehen. Nein, besser war es wahrscheinlich, erst einmal abzuwarten und den Schwiegersohn genau zu beobachten.
    Mit der gebührenden Schroffheit begrüßte Mamma Carlotta Valerie Feddersen und wurde erst zugänglicher, als sie hörte, dass sie mit Lucia befreundet gewesen war.
    »Lucia, Angela und ich wollten einmal gemeinsam in Umbrien Urlaub machen. Aber dann wurde Angelas Vater krank, und so wurde nichts daraus.«
    Mamma Carlotta erinnerte sich. Damals hatte sie sich über diese Pläne gefreut, heute war sie froh, dass sie nicht eine Frau bei sich beherbergt hatte, die ihrem Schwiegersohn Jahre später den Kopf verdrehen würde.
    Erik zeigte auf die Tasche, die Valerie in der Hand hielt. »Willst du verreisen?«
    »Nur bis morgen«, lächelte sie. »Ich werde nach Niebüll fahren, Angela hat Musicalkarten.« Lächelnd wandte sie sich an Mamma Carlotta. »Angela Reitz, Sie erinnern sich? Sie war es, die mit Lucia und mir nach Umbrien fahren wollte.«
    Mamma Carlotta nickte gnädig und betrachtete Valerie, die gar nicht bemerkte, welches Interesse sie erregte. Lediglich Erik sah ein paarmal nervös zu seiner Schwiegermutter. Entweder beunruhigte ihn ihre ungewöhnliche Schweigsamkeit oder der scharfe Blick, mit dem sie Valerie musterte.
    »Dann wirst du sicherlich über Nacht in Niebüll bleiben«, meinte er.
    »Natürlich«, gab Valerie zurück. »Ich schlafe bei Angela. Morgen Vormittag komme ich zurück.«
    Valerie ging auf den rostroten Golf zu, an dessen Heck ein Abziehbild klebte: Bochum, ich komm aus dir! Sie war sehr hübsch mit ihrer schlanken, biegsamen Figur, den langen, blonden Haaren, die glatt und glänzend auf ihren Rücken fielen. Natürlich nicht so hübsch wie Lucia, ergänzte Carlotta heimlich, aber Valeries hellblaue Augen waren sicherlich nicht weniger ausdrucksvoll als Lucias, die Erik liebevoll »Brombeerlichter« genannt hatte.
    Donata Zöllner erschien plötzlich hinter ihnen. »Ich habe eingecheckt und
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