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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt
Autoren: Len Deighton
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einer Stunde.«
    »Ich bin durchaus fähig, mir Kaffee und Toast selbst zu machen.«
    »Für mich ist’s noch zu früh. Ich werde danach klingeln, wenn ich soweit bin.«
    Er sah ihr in die Augen. Sie war den Tränen nahe. Sobald er das Zimmer verließ, würde sie anfangen zu weinen. »Schlaf weiter, Nikki. Soll ich dir ein Aspirin geben?«
    »Nein, ich will kein gottverdammtes Aspirin. Jedesmal wenn ich dich nerve, fragst du mich, ob ich ein Aspirin will.
    Als ob meine Unzufriedenheit irgendein Frauenleiden wäre.«
    Er hatte sie oft beschuldigt, eine Träumerin zu sein, womit er für sich selbst implizit den Anspruch erhob, ein praktischer Realist zu sein. Tatsächlich war er in noch viel höherem Maße als sie ein romantischer Träumer. Diese Sehnsucht, die ihn zu allem, was englisch war, hinzog, war lächerlich. Er sprach sogar davon, seine amerikanische Staatsbürgerschaft aufzugeben, und hoffte, einen dieser Adelstitel zu kriegen, die die Briten anstelle von Geld verteilten. Eine derartige Besessenheit konnte ihm nur Schwierigkeiten bereiten.
    Im Büro lag genug an, Bret Rensselaer für die erste Stunde oder länger vollauf zu beschäftigen. Das Büro war ein

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    wunderschöner Raum im Obergeschoß eines Neubaus. Bret hatte seinen nach modernen Begriffen sehr geräumigen Arbeitsplatz ganz nach seinem eigenen Geschmack gestaltet, mit Hilfe eines der teuersten Innenarchitekten Londons, der seine Ideen kongenial umgesetzt hatte. Er saß hinter seinem großen Schreibtisch, dessen Platte aus Glas war. Der Raum –
    Wände, Teppiche und das lange Ledersofa – war ganz in Schwarz und Grau gehalten, nur das Telefon war weiß. Bret wollte, daß der Raum mit der Aussicht harmonierte, die er auf die Schieferdächer der Innenstadt von London gewährte.
    Er klingelte nach seiner Sekretärin und begann zu arbeiten.
    Gegen Mitte des Vormittags, als der Bote abgeholt hatte, was zu tun gewesen war, beschloß er, sein Telefon abzustellen und zwanzig Minuten Pause zu machen, um die versäumte Morgengymnastik nachzuholen. Seine puritanische Veranlagung und Erziehung verboten ihm, eine
    Auseinandersetzung mit seiner Frau als zureichenden Grund für das Versäumnis von Arbeit oder Leibesübung gelten zu lassen.
    In Hemdsärmeln war er damit beschäftigt, seine dreißig Liegestütze zu absolvieren, als Dicky Cruyer – ein Bewerber um den demnächst frei werdenden Posten des German Stations Controller – den Kopf zur Tür hereinsteckte und sagte: »Bret, deine Frau hat versucht, dich zu erreichen.«
    Bret setzte seine Liegestützübungen langsam und methodisch fort. »Und?« sagte er, bemüht, nicht zu keuchen.
    »Sie schien sehr erregt zu sein«, sagte Dicky. »Sie hat so was gesagt wie: ›Sag ihm, er soll sehen, wie er seinen Mann in Moskau kriegt, und ich werde mir meinen Mann in Paris besorgen.‹ Ich habe sie gebeten, das zu wiederholen, aber sie hat aufgelegt.« Er sah zu, wie Bret ein paar weitere Liegestütze absolvierte.
    »Ich rede später mit ihr«, grunzte Bret.
    »Sie war auf dem Flughafen. Ich soll dir Lebewohl sagen.

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    ›Lebewohl für immer!‹ hat sie gesagt.«
    »Nun hast du’s mir gesagt«, sagte Bret mit verdrehtem Kopf und aus seiner der Länge nach am Boden ausgestreckten Lage freundlich zu ihm in die Höhe lächelnd. »Botschaft empfangen und verstanden.«
    Dicky murmelte irgend etwas von einer schlechten Telefonverbindung, nickte und zog sich zurück mit dem Gefühl, daß es unklug gewesen war, die schlechte Nachricht zu überbringen. Es waren ihm schon Gerüchte zu Ohren gekommen, die wissen wollten, daß es in der Ehe der Rensselaers kriselte, aber ein Mann mag noch so sehr davon träumen, seine Frau zu verlassen, er wird nicht gerne hören, daß sie ihn verlassen hat. Dicky ahnte, daß Bret Rensselaer nicht vergessen würde, wer ihm die schlechte Nachricht von der Desertion seiner Frau überbracht hatte, und daß die Erinnerung Bret zu einer Antipathie gegen ihn disponieren könnte, die das Verhältnis zwischen ihnen für alle Zukunft vergiften würde. Diese Vermutung Dickys war richtig. Er fing an zu hoffen, daß die Besetzung des Postens des Chefs der Deutschland-Abteilung nicht ganz in Brets Kompetenz fallen würde.
    Die Tür klickte ins Schloß. Bret begann seine Übungen von neuem. Denn er hatte den asketischen Vorsatz gefaßt, daß er, wenn er nur einmal darin innehielte, die ganze Serie von vorn beginnen müsse.
    Als er mit seinen gymnastischen Übungen fertig war, öffnete Bret die
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