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Geliebte des Feuers

Geliebte des Feuers

Titel: Geliebte des Feuers
Autoren: Marjorie M. Liu
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warf Long Nu einen argwöhnischen Blick zu. »Alles klar bei euch?«
    »Dasselbe könnte ich dich fragen«, erwiderte Miri. Ihre Augen waren noch sehr hell, und ihre sonst gesunde Haut wirkte teigig. »Ich dachte, du wärst tot.«
    Koni zuckte die Achseln und kam herein. Er hatte die Schultern zusammengezogen. Zuerst glaubte Dean an Folgen seiner Verletzungen, aber der Gestaltwandler blickte immer wieder zu Long Nu hinüber, bis Dean sich fragte, ob seine Haltung doch mehr damit zu tun hatte, sich so klein und unauffällig wie möglich zu machen und der Drachenfrau aus dem Weg zu gehen, die ihn aus zusammengekniffenen Augen musterte.
    Als Koni jedoch neben dem Bett stand und lächelte, entspannten sich seine Gesichtszüge, und Dean atmete erleichtert auf.
    »Ich bin ein zäher Vogel«, sagte Koni zu Miri. »Es ist schon mehr als ein Schlag auf den Kopf nötig, um mich am Boden zu halten.«
    »Gut«, antwortete Miri. »Danke für deine Hilfe.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Das klingt so, als hätte ich was Aufregendes verpasst.«
    »Nein, es war stinklangweilig«, behauptete Dean.
    »Ah. Deshalb reden die Dorfbewohner aus dem Park auch über nichts anderes. Ihr seid jetzt schon Legenden.«
    Dean wusste nicht, ob ihm das gefiel, aber Koni schien nicht sonderlich darüber bekümmert, und normalerweise war er der Vorsichtigere von ihnen.
    »Und was jetzt?«, fragte Dean Long Nu. »Noch mehr düstere Voraussagen? Haben Sie noch andere Handlanger, die uns verschleppen sollen?«
    »Ich glaube, Miri und Sie sind in Sicherheit«, erwiderte Long Nu, aber ihr Blick wirkte distanziert und nachdenklich. »Vorläufig.«
    »Wie geheimnisvoll«, erwiderte Dean.
    »Wie rätselhaft«, echote Miri.
    Long Nu hob die Brauen. »Ihnen ist offenbar nicht klar, dass Ihre Vorgänger keinerlei Psi-Kräfte hatten, also keine Möglichkeit besaßen, hinter das zu blicken, was man ihnen mitgegeben hatte. Sie waren wahrhaftig Gefäße, mehr nicht. Mit Ihnen und Miri jedoch hat sich alles geändert. Zum ersten Mal gibt es zwei Gefäße, die die Macht beherrschen konnten. Als sie diesmal freigesetzt wurde, war jemand da, der sie kontrollierte.«
    »Ich«, sagte Dean.
    »Und der Schwarze Wurm«, setzte Miri hinzu.
    »Nicht nur er«, gab Long Nu zurück. »Auch Sie haben eine Gabe, Mirabelle. Sie haben sich nur noch nicht dafür geöffnet.«
    Miri widersprach nicht, was Dean überraschte. Aber dann dachte er an die kurze Vision, die sie in Hongkong gehabt hatte, und wie sie reagiert hatte, als sie die Jade in Taiwan berührte. Ja, dachte er, da könnte was dran sein.
    Er dachte auch an sich selbst, an die Veränderungen seiner eigenen Gabe. Er hob die Hand und legte sie mit der Handfläche behutsam auf seine Brust. Unter den Verbänden spürte er etwas Hartes, und er stellte sich Worte, Licht und die rote Jade vor. Ein roter Stein, der genauso zu ihm gehörte wie sein Herz.
    »Ja«, sagte Long Nu ruhig. »Die Dinge liegen jetzt anders, haben sich verändert. Und Sie sind verändert, Dean Campbell. Sie vermögen jetzt Dinge zu vollbringen, die man seit tausend Jahren von keinem Menschen mehr erlebt hat. Haben Sie eine Ahnung, was Sie sind? Wie Ihr Potenzial aussieht?«
    Dean zögerte. »Ich bin mir nicht sicher, ob mir gefällt, wo das hinführt.«
    Long Nu verzog den Mund. »Dann gehen Sie den Weg eben nicht. Noch nicht. Ich glaube nämlich keineswegs, dass Sie dem Geschmack der Macht widerstehen können.«
    »Und wo passe ich da ins Bild?«, wollte Miri wissen.
    »Das ist ganz allein Ihre Entscheidung«, antwortete die Drachenfrau. »In Ihnen ist jetzt die Magie. Und zwar die älteste Art von Magie, die zudem Ihrem Geburtsrecht entspricht. Sie gehört also Ihnen. Ihre Zukunft gehört Ihnen allein.«

Epilog
    Drei Wochen später saß Miri an einem von Papieren übersäten Schreibtisch in ihrem Büro in Stanford. Es war wirklich nur ein kurzer Besuch. Eine Chance, ihre Bekanntschaft mit einem anderen Leben zu erneuern oder herauszufinden, ob sie überhaupt jemals eines gehabt hatte. Und wenn ja, ob sie es wollte. Trotz der Morde und der Feuer hatte niemand auch nur in Erwägung gezogen, eine Untersuchung anzuberaumen, ob sie noch in der Universität erwünscht war. Auf Miri machte es fast den Eindruck, als wäre gar nichts passiert. Was ihr zwar Unbehagen bereitete, aber sie war bereit mitzuspielen. Eine Zeit lang jedenfalls.
    Außerdem vermisste sie den Geruch ihrer Bücher und den Anblick der Nachmittagssonne, wenn sie durch das Fenster hinter ihr
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