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Geheimnisse der Lebenskraft Chi

Titel: Geheimnisse der Lebenskraft Chi
Autoren: Peter Meech
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dann nach Westen in eine schon schneefleckige Landschaft abzubiegen. Neben mir ist Dr. Chow angeschnallt, hinten Tamiyo.Wir sind kein Pärchen mehr, aber ein großartiges Gespann.
    Seit Monaten redet Tamiyo Dr. Chow zu, er solle seine Kenntnisse der traditionellen Heilkunst erweitern und mit uns zu einer indianischen Medizinfrau namens Twyla Nitsch fahren. So machen wir jetzt also unseren Treck zu einem Reservat im Staat New York. Dr. Chow hat in der Praxis seinen weißen Kittel abgestreift und dafür seine schwarze Lederjacke angezogen. Außerdem hat er einen Kräutertee getrunken, »Spezialtee für Chi-Gong-Meister«, wie er sagte.
    Nach einer ersten Gesprächsphase herrscht jetzt entspanntes Schweigen im Wagen. Die Minuten ziehen in langer Folge vorbei, und eigentlich gibt es keinen Grund, ein Gespräch anzufangen, aber andererseits ist nicht damit zu rechnen, dass sich diese Situation, Dr. Chow für einige Stunden im Wagen neben mir sitzen zu haben, so bald wieder ergeben wird. Behutsam
breche ich also das Schweigen und frage, ob das jetzt die Gelegenheit sei, ein paar Fragen zum Chi Gong zu stellen. Er nickt. Ich frage, ob die Morgendämmerung, der Mittag, die Abenddämmerung und Mitternacht die besten Übungszeiten seien, und er sieht mich von der Seite an und fragt, wo ich das gehört habe. Ich sage, ich hätte es in einem Buch gelesen, und er meint, das müsse ein gutes Buch gewesen sein, denn die genannten Zeiten seien traditionell immer als die besten angesehen worden. Seine Empfehlung laute jedoch etwas anders. Sofern die Luft rein ist, sagt er, solle ich immer dann üben, wenn ich gerade kann.
    Ich frage, in welche Richtung man beim Meditieren blicken solle. Nach Süden, sagt er und fügt hinzu, das gelte auch für die Südhalbkugel; südwärts sei immer die beste Richtung, und es sei auch gut, beim Schlafen mit dem Kopf nach Süden zu liegen. Seine Praxis liegt an einer in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Straße, und ich frage, ob er das bewusst so gewählt habe. Er bejaht.
    Tamiyo auf dem Rücksitz reibt sich die Hände und bittet mich, die Heizung etwas höher zu drehen. Sie fasst Dr. Chow leicht an der Schulter und fragt, ob das Chi eines Menschen im Winter schwächer sei. Dr. Chow wendet sich ihr über die Schulter zu und sagt, das Chi im Körper sei im Frühjahr und Sommer am stärksten, das liege an der Wärme.
    Ich habe gelesen, dass man nach dem Geschlechtsverkehr oder wenn man müde oder krank ist nicht Chi Gong üben soll, und frage Dr. Chow, ob er das auch so sieht. Er schüttelt den Kopf und sagt, man könne durchaus nach sexueller Betätigung üben, nur sei das Chi dann schwächer. Müdigkeit oder Unwohlsein, fährt er fort, seien überhaupt kein Hinderungsgrund,
sondern eher eine Indikation zum Üben; außerdem sollten Frauen ruhig während der Periode üben, auch wenn es in manchen Büchern vielleicht anders stehe - er sage das nicht allein als Chi-Gong-Meister, sondern als Arzt. Gibt es also überhaupt Zeiten, fragt Tamiyo, in denen man nicht üben soll? Dr. Chow überlegt kurz und sagt, nach Alkoholgenuss oder wenn man übermäßig in Sorge ist, solle man lieber nicht üben, denn da könne sich das Chi festfahren und man würde seinem eigenen Fortschritt nur Hindernisse in den Weg legen.
    Fortschritt! Ich weiß wohl, dass ich Fortschritte gemacht habe, aber wie weit bin ich eigentlich? Bei den äußeren Kampfkünsten hat man die Gürtelfarbe als Anhaltspunkt, aber beim inneren Chi Gong gibt es einfach keine Messgrößen - nur das, was der Lehrer dem Schüler mitteilt oder dieser selbst in seiner Praxis erlebt. Ab und zu hat Dr. Chow mit ein paar Worten zu erkennen gegeben, dass ich eine neue Stufe erreicht habe, aber solche Aussagen geben mir eigentlich kaum Anhaltspunkte, und ich hätte das gern geklärt. Klar war ohne besondere Erwähnung stets, dass etliche Stufen zu durchlaufen sind, bevor man die große Prüfung ablegen kann. Und nur wer die große Prüfung besteht, so viel habe ich inzwischen auch schon herausgefunden, kann überhaupt mit der anspruchsvollen und strengen Ausbildung zum Chi-Gong-Meister beginnen.
    Ich frage ihn also jetzt, wie viele Stufen der Meisterschaft es gebe. Er zieht die Stirn kraus, und ich sehe, wie er angestrengt auf Englisch überlegt. Dann sagt er mit tiefer Bauchstimme: »Niemand weiß.«
    »Niemand?«
    »Jeder Meister sagt anderes. Und Meister, der weiß, lebt auf Berg.«

    »Ihre Meister, Dr. Chow - wer waren Ihre Meister?«
    »Viele Meister
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