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Gefeuert

Titel: Gefeuert
Autoren: Julia Berger
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jetzt Schluss!«, rede ich mir zu. Ich kann es mir nicht länger leisten, meine Energie mit Sorgenwälzen zu verbrennen.
    Nachdem ich mich einigermaßen gefangen habe, mache ich mich auf den Heimweg. Da läuft mir zufällig eine Mitarbeiterin aus der Exarbeit über den Weg.
    »Nächste Woche stehen bei uns wieder Kündigungen an«, erzählt sie und verzieht schmerzhaft das Gesicht. »Es werden mindestens 50 sein. So viel steht schon fest.« Sie seufzt.
    »Aber noch weiß niemand, wen es trifft?«
    »Nein.«
    Ich weiß nicht, was ich entgegnen soll. Soll ich sie beruhigen?, frage ich mich. Etwas sagen in der Art wie »Mach dir mal keine Sorgen, dir werden sie bestimmt nicht kündigen.«? Aber vielleicht fühlt sie sich sicher und ich würde sie mit so einer Bemerkung erst auf die Idee bringen, Angst zu haben? Oder soll ich eine der schlauen Floskeln von mir geben, die ich mir selbst immer wieder vorgesagt habe, noch vorsage, so wie »Das wird schon. Auch nach einer Kündigung geht das Leben weiter. Es kann nur besser werden.«. Oder soll ich versuchen, sie zum Lachen zu bringen und etwas ausmalen wie »Am besten sie kündigen Herrn Roth. Dann gibt es niemanden mehr, der anderen kündigen kann.«. Ich verwerfe alle drei Ideen und schweige lieber weiter. Komisch, obwohl ich doch selbst am besten wissen müsste, was man im Fall einer drohenden Kündigung sagt, weiß ich es nicht.
    »Es ist richtig kalt geworden«, sage ich schließlich.

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    Epilog
    Ich schreibe dieses Schlusswort in zuversichtlicher Stimmung. Das ist wichtig zu erwähnen, denn es würde anders ausfallen, wenn ich es in einem Anfall von Existenzangst, die mich noch immer hin und wieder überkommt, verfassen würde.
    Der erste Anruf von Herrn Roth liegt jetzt mehr als ein Jahr zurück. Damals war ich fest angestellt, in Elternzeit, und eine Kündigungsfrist von sechs Monaten schützte mich vor einer eventuellen Entlassung (an deren Möglichkeit ich keinen Gedanken verschwendete). Die Zukunft schien klar und sicher. Heute bin ich selbstständig. Die Zukunft ist unklar und unsicher.
    Ich weiß: Die nächsten Monate wird uns das Geld zum Leben reichen. Und danach? »Bis dahin kann viel passieren!«, sage ich mir, um mir Mut zu machen. Aber das sage ich mir schon so lange.
    Gekündigt zu werden, das war ein Schock für mich. Ich habe nie damit gerechnet, dass es mich selbst einmal treffen würde. Und das, obwohl tagtäglich von Entlassungen die Rede ist und sogar in unserem eigenen Unternehmen über die Jahre mehrmals Mitarbeiter hinausgeworfen wurden, darunter direkte Kollegen von mir.
    Ich habe die Kündigung noch immer nicht überwunden. Ich fasse es nicht, dass ich entlassen wurde. Einfach so. Nach 15 guten Jahren. Es ist, als ob dir der Lebensgefährte unerwartet die Tür vor der Nase zuschlagen würde und du mit einem Mal nur noch aus Fragen bestehst: »Warum? Was jetzt? Wohin?«
    Auf einmal liegt das Leben wieder offen vor dir. Alles ist möglich. Auch ein Scheitern.
    »Mach das Beste draus! Sieh es als Chance«, habe ich mir geradezu beschwörend immer wieder gesagt. Ich habe es versucht, ich versuche es, aber es gelingt mir nicht immer. Die düsteren und destruktiven Momente der Angst und der Zweifelzum Beispiel hätte ich mir doch einfach sparen können. Ich schreibe »hätte« – als wäre es schon vorbei.
    Nie hätte ich gedacht, dass es so hart ist, wenn einem gekündigt wird. »Dann suchst du dir halt einen neuen Job«, mehr wäre mir vor dem »Tag Roth« dazu nicht eingefallen. Wie hätte ich wissen sollen, dass es so schwierig sein würde, sich von der Exarbeit zu lösen, in der ich nun einmal 15 Jahre lang den Großteil meiner wachen Zeit verbracht habe. Wie hätte ich wissen sollen, dass es sich so lange hinziehen würde, einen neuen Job zu finden? Wie hätte ich wissen sollen, wie demütigend es ist, von der Bundesagentur für Arbeit abzuhängen?
    Niemals hätte ich damit gerechnet, tatsächlich arbeitslos zu werden.
    Wenn ich eine Bilanz ziehen wollte, würde sie dennoch nicht nur negativ ausfallen. Dafür habe ich zu viel erlebt und dazugelernt. Ich hatte mehr Freiheiten, konnte flexibler für meine Familie da sein. Ich hatte viel Stress – wenn auch auf andere Art als im Büro. Ich hatte zu viele Ängste und Zweifel, was überhaupt nichts bringt. Ich hatte viele Ideen und Hoffnungen. Ich hatte Erfolge und Rückschläge.
    Inzwischen beziehe ich den Gründungszuschuss. Ich habe in der Zwischenzeit noch ein paar
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