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Gefangen in der Schreckenskammer

Gefangen in der Schreckenskammer

Titel: Gefangen in der Schreckenskammer
Autoren: Stefan Wolf
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aus.
    Sie ist unscharf, dachte Gaby. Sie muß
unscharf sein. Lieber Gott, gib, daß ich mich nicht irre! Daß die beiden nicht
noch behämmerter sind als ich glaube.
    Umberto trat vor sie. Er hatte die
Walze gedreht.
    „Herz oder Schläfe?“
    Heldenhaft deutete Gaby auf ihre Stirn.
Etwas zu heftig zitterte sie dabei mit Hand und Zeigefinger. Fast hatte sie
sich am Auge verletzt. Dann wühlte sie den Finger in ihren Goldpony.
    Umberto drückte ihr die Mündung an den
Kopf.
    Sie spürte das Metall.
    Und wenn die Patrone nun doch... scharf
ist?
    Sie schloß die Augen.
    „Ich zähle bis drei“, sagte Umberto.
„Dann drücke ich ab. Du kannst noch mal schnell an deine Eltern denken,
Gabriele Glockner. An deinen Köter und deine blöden Freunde. Eins... zwei...
und...“

18. Die Sache mit Hansi
     
    Das Wohnzimmer der Familie Glockner
hatte schon viele fröhliche Feste gesehen. Aber an diesem Freitag im Februar
herrschte bedrücktes Schweigen, und ohnmächtige Sorge stand in allen
Gesichtern.
    Jeder dachte nach. Gab es wirklich
keine Spur?
    Oskar winselte leise und legte Margot
Glockner den Kopf aufs Knie. Sie streichelte ihn, gedankenverloren. Für den
verwöhnten Vierbeiner war das nicht genug Hinwendung.
    Verstört lief er zu seinem Herrchen,
dem Kommissar, wo er zwar einige Streicheleinheiten einheimste, aber noch nicht
genug hatte. Seufzend legte er sich auf Tims Füße, wälzte sich herum und hielt
alle Pfoten in die Höhe.
    „Ich hab’s!“ brüllte Tim, bückte sich
und kraulte Oskars Bauch. „Nicht die Lösung, aber es könnte eine Spur sein,
eine verheißungsvolle! Zum Henker, Willi, Karl! Warum fällt uns das nicht
früher ein?“
    „Mir fällt auch jetzt noch nichts ein“,
sagte Klößchen. Karl hob die Achseln, um auch seinen geistigen Leerlauf
anzudeuten.
    Emil und Margot Glockner zeigten
gespannte Mienen. „Sie beide“, meinte Tim, „können nichts davon wissen. Aber
bei mir stand was auf der psychischen Pipeline ( Rohrleitung ). Ich glaube
nämlich, daß dort — zwischen Gehirn und Unterbewußtsein — die Erleuchtung
gelauert hat. Aber sie brannte bis eben auf Sparflamme. Und der gedankliche
Anstoß kam von dem Wort Haß. Das hat es ausgelöst. Haß ist das Stichwort.“
    „Also“, sagte Karl, „bis jetzt gibst du
Rätsel auf.“
    „Erinnert euch doch! Es war am ersten
oder zweiten Advent, jedenfalls vor Weihnachten. Als uns Angelika Schmählich
eingeladen hatte...“
    „Schokoladentorte!“ rief Klößchen. „Die
gab’s. Entsinne mich genau. Mit Aprikosenfüllung.“
    Tim warf ihm einen Blick zu, der wie
eine Ohrfeige klatschte. „Es geht nicht um die Torte. Es geht um den
Psycho-Fall, den uns Angelika schilderte. Hansi — so nannte sie denkleinen
Jungen. In Wahrheit hieß er anders. Aber sie darf ja ihre Problem-Patienten
nicht namentlich nennen.“
    „Ich weiß von keinem Hansi“, sagte
Klößchen.
    „Aber ich!“ Computer-Karls Augen blitzten
hinter der Nickelbrille. „Mann, Tim! Hast recht. Das spielt ja brandheiß
hinein.“
    Tim wandte sich an die Glockners.
    „Hansi ist erst sieben, frisch
eingeschult. Auf dem Nachhauseweg von der Schule kürzt er manchmal ab, was er
eigentlich nicht darf. Er stiefelt dann über das total einsame Gelände hinter
dem Thaldorfer Güter-Bahnhof. Dort hat er das grausige Erlebnis gehabt.
Nämlich: Zwei junge Männer — so knapp an die Zwanzig — haben ihn gepackt und in
ihren Wagen gezerrt. Ihm, Hansi, wurde gedroht, sie würden ihn schlachten. Sie
haben ihm die Augen verbunden und sind mit ihm weggefahren — ziemlich weit,
vermutlich hinaus aus der Stadt. Hansi wurde in einen dunklen Kellerraum
geführt. Dort nahmen sie ihm die Augenbinde ab. Mindestens zwei Stunden lang
wurde er dann seelisch gefoltert. Das heißt, sie machten ihm Angst. Gräßliches
drohten sie ihm an. Im Nebenraum wäre ein kinderfressendes Ungeheuer. Dem werde
er vorgeworfen. Aber vorher würde ihm eine Hexe alle Finger abschneiden. So in
dem Stil ging es weiter. Der arme Hansi hat sich in die Hose gemacht und die
letzte Träne vergossen. Als den Mistkerlen die Quälerei genügte, haben sie ihm
wieder die Augen verbunden und ihn zum Güter-Bahnhof zurückgebracht. Zu Hause
wurde Hansi bestraft. Seine Eltern glaubten nicht, was er erzählte, vermuteten
vielmehr, er wäre im Zoo gewesen oder irgendwo strawanzt (sich
herumtreiben). Aber der Junge war völlig verstört, hatte Alpträume und
wurde täglich blasser. Sie brachten ihn zu Angelika Schmählich. Sie
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