Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
Seil, schrie er womöglich um Hilfe und ließ sich von den Schauermännern an Bord helfen? Wenn es tatsächlich so war, würde Monk zur Polizeiwache in Wapping zurückkehren und Verstärkung holen müssen. Und bis dahin konnte alles Mögliche passieren.
    Orme musste dieselbe Befürchtung durch den Kopf geschossen sein. Er legte sich mit seinem ganzen Gewicht ins Ruder und feuerte die anderen Männer mit lauter Stimme an. Das Boot machte einen Satz nach vorn, gerade als der Leichter mit immer noch beträchtlichem Vorsprung wieder vor ihnen auftauchte. Monk wirbelte herum und fixierte den Rumpf des Schoners. Dort hangelte sich jedoch niemand an den Seilen empor. Die Schauermänner beförderten nach wie vor mit gekrümmtem Rücken ein Fass nach dem anderen aus dem Bauch des Schiffs an Deck.
    Erleichterung durchflutete Monk, als sie das Transportboot endlich einholten. Noch ein, zwei Minuten, dann würden sie sich Phillips schnappen, und die Jagd wäre vorüber. Hatten sie ihn erst in Gewahrsam, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Mühlen der Gerechtigkeit zu mahlen begannen.
    Das Polizeiboot erreichte die Längsseite des Leichters. Erneut sprangen zwei Männer an Deck, nur um Sekunden später mit düsterer Miene und kopfschüttelnd zurückzukehren. Diesmal fluchte auch Monk. An den Wänden des Schoners war Phillips nicht hochgeklettert, dessen war sich Monk sicher. So beweglich der Mann auch sein mochte, so schnell hätte er in der kurzen Zeit, in der er vor ihren Augen verborgen war, unmöglich auf den Schoner klettern können. Und zum Nordufer war keiner der vorüberfahrenden Leichter unterwegs gewesen. Damit blieb nur noch das Südufer.
    Die Schultern angespannt, ruderten die Männer das Boot mit wütenden Schlägen um das Heck des Schoners herum und lenkten es in das Kielwasser einer Gruppe von Leichtern, die sich stromaufwärts bewegte. Sie legten sich in die Riemen und peitschten mit den Rudern auf das Wasser ein, bis die Gischt hochspritzte. Monk klammerte sich an die Seiten und stieß ein Knurren aus, als er einen weiteren Leichter bemerkte, der südwärts auf Rotherhithe zuhielt.
    Orme entdeckte ihn im selben Augenblick und gab sofort den entsprechenden Befehl.
    Eilig schlängelten sie sich zwischen den Booten hindurch. Vor ihnen überquerte eine Fähre zügig den Fluss, während sich die Passagiere zum Schutz gegen den Wind niederkauerten. Von einem anderen Vergnügungsboot stiegen Musikfetzen in die Luft. Der Leichter erreichte die Mole nur zehn Meter vor ihnen, und sie sahen Phillips’ geschmeidige Gestalt mit wehenden Haaren und Frackschößen vom Heck springen. Er landete auf der untersten Stufe, die von der Flut mit schleimigem Tang bedeckt war. Einen Moment lang ruderte er mit den Armen durch die Luft, dann kippte er zur Seite und prallte gegen die von grünem Seetang bedeckte Steinmauer. Die Schmerzen mussten immens sein, doch natürlich wusste Phillips, dass das Polizeiboot nicht weit hinter ihm war, und die Angst spornte ihn an, sich aufzurappeln und auf Händen und Knien nach oben zu kriechen. Das freilich war ein Manöver ohne jede Würde und wurde prompt vom Hohngelächter einiger Schauermänner begleitet. Als das Polizeiboot an der Mauer entlangschabte, hatte Phillips bereits den trockenen Kai erreicht und sprintete auf den nächsten Liegeplatz zu, wo noch Paletten voller Töpferwaren aus Spanien zwischen aufs Geratewohl abgeladenen dunkelbraunen Fässern herumstanden. Dahinter erstreckten sich die Bermondsay Road und ein Labyrinth von Gassen und Hinterhöfen, Bettlerherbergen, Pfandleihhäusern, Kerzendreherwerkstätten, Tavernen und Bordellen.
    Monk zauderte nur einen winzigen Moment. Bei einem Sprung konnte er sich leicht die Knöchel verstauchen. Und was, wenn er ins Wasser fiel? Die Hafenarbeiter und Schauermänner würden vor Lachen brüllen. Und was für eine Blamage wäre es, wenn Phillips entwischte, weil seine eigenen Männer die Verfolgung abbrechen mussten, um ihren Kommandanten aus dem Fluss zu fischen! Aber die Zeit reichte einfach nicht für langes Überlegen und Abwägen. Er richtete sich in dem schlingernden Boot auf und machte einen Satz in Richtung der Stufen.
    Elegant war die Landung nicht. Seine Hände trafen auf mit Seetang überwachsenen Stein, er fiel auf ein Knie und schlug auf der Kante der nächsten Stufe auf. Ein grässlicher Schmerz jagte durch seinen ganzen Körper, doch er konnte gleich wieder aufstehen und hinter Phillips herklettern, als wäre es seine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher