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Frostglut

Frostglut

Titel: Frostglut
Autoren: Jennifer Estep
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Schlimmste ist: Ich wusste, dass Du es bist. Ich konnte Dich die ganze Zeit klar erkennen. Ich konnte hören, wie Du mich angefleht hast, wie Du darum gebettelt hast, dass ich aufhöre. Und das wollte ich – ich wollte so dringend aufhören. Ich habe versucht, gegen diesen schrecklichen Einfluss in mir anzukämpfen, gegen die Magie, mit der sie mich infiziert hatten. Aber ich war nicht stark genug.
    In meiner Kindheit war ich nicht stark genug, um meine Mutter und meine Schwester zu retten. Jetzt war ich nicht stark genug, um mich selbst davon abzuhalten, Dich zu verletzen.
    Deswegen muss ich gehen. Metis und Nickamedes sagen, dass es mir gut geht, dass Loki und die Schnitter keinen Einfluss mehr auf mich haben, aber ich kann es einfach nicht riskieren.
    Ich kann nicht riskieren, Dich noch einmal zu verletzen.
    Also verlasse ich Mythos und gehe an einen weit entfernten Ort. Ich hoffe, dass Du mir eines Tages vergeben kannst. Bitte versuch nicht, mich aufzuspüren.
    Alles Liebe,
    Dein Logan
    Die Worte taten weh, aber das war nicht das Schlimmste. Denn sobald ich den Brief berührte, schaltete sich meine Psychometrie ein, und ich fühlte alles, was Logan beim Schreiben des Briefes gefühlt hatte – all seine Angst, seine Wut, seinen Selbsthass und seine Scham.
    Mit jedem Wort, das er geschrieben hatte, hatte der Spartaner den Kampf wieder und wieder in seinem Kopf durchlebt. Alles, was ich gesagt hatte, jeden Angriff, den er gegen mich geführt hatte, und schließlich den letzten Treffer, mit dem er mich aufgespießt hatte. Wieder und wieder erinnerte er sich daran, wie er mir das Schwert in die Brust gerammt hatte. Ich empfand alles, was er während des Kampfes empfunden hatte.
    Ich spürte, wie sehr er den Kampf hatte abbrechen wollen. Wie sehr er versucht hatte, das Schwert sinken zu lassen oder es sogar gegen sich selbst zu richten – obwohl die schreckliche Präsenz in seinem Körper ihm deswegen Schmerzen zugefügt hatte.
    Loki.
    Durch Logans Erinnerungen sah ich, was der Spartaner gesehen hatte – Augen, eines schön und blau und das andere hässlich und schnitterrot. Diese Augen hatten jede Ecke seiner Seele ausgespäht und waren langsam in seinen Körper, seinen Geist und sein Herz eingedrungen.
    Irgendwie hatte der böse Gott Logan über ihre Verbindung Schmerzen zugefügt und den Spartaner von innen heraus gefoltert. Der Schmerz war schlimmer gewesen, als Logan ertragen konnte – schlimmer, als irgendwer hätte ertragen können. Allein die Erinnerung brachte mich zum Weinen. Loki hatte die Kontrolle übernommen, und Logan hatte sich nicht davon abhalten können, mich aufzuspießen, obwohl er die ganze Zeit in seinem Kopf sich selbst und den bösen Gott angeschrien hatte, endlich aufzuhören.
    Doch am deutlichsten fühlte ich Logans tiefste Angst – dass er immer noch mit Loki verbunden sein könnte. Dass der böse Gott nur seinen Geist nach ihm ausstrecken musste, um ihn wieder unter seine Kontrolle zu bringen.
    Dass Loki ihn wieder dazu zwingen könnte, mir wehzutun.
    »Oh, Spartaner«, flüsterte ich im Dunkeln. »Weißt du denn nicht, dass ich dir bereits vergeben habe – und zwar alles?«
    Doch meine geflüsterten Worte brachten Logan nicht zu mir zurück – und ich wusste nicht, ob das je geschehen würde.
    Ich rollte mich neben der immer noch schlafenden Nyx zu einem Ball zusammen, während Tränen über mein Gesicht rannen und auf Logans Brief tropften, bis die Worte langsam verschwammen. Ich drückte das Papier wie einen Schild an meine Brust. Als könnte der Brief mich beschützen, obwohl mein Herz gerade in immer kleinere Stücke zerbrach.

Ein gebrochenes Herz war keine tödliche Wunde, zumindest nicht in den Augen der Mächtigen von Mythos, und so fand ich mich am Nachmittag auf dem Schulgelände wieder.
    Erneut stand ich im Amphitheater vor allen Schülern, Professoren und Angestellten. Doch diesmal hörten sie die Wahrheit über mich, Vivian und alles andere.
    »… daher hat das Protektorat alle Anklagepunkte gegen Miss Frost fallen lassen«, sagte Linus. »Wir möchten uns aus tiefstem Herzen bei ihr entschuldigen und ihr ein Lob für ihre Tapferkeit beim Vorfall im Aoide-Auditorium aussprechen. Miss Frost hat, zusammen mit Mister Sokolov und Miss McDougall, nicht nur ihre Mitschüler gerettet, sondern auch Angestellte und Professoren, genauso wie mich selbst und mehrere andere Mitglieder des Protektorats …«
    Ich blickte nach rechts zu Morgan und Alexei, die mit mir auf der
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