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Freitags wird gebadet, aus dem Tagebuch eines Minderjaehrigen

Titel: Freitags wird gebadet, aus dem Tagebuch eines Minderjaehrigen
Autoren: Kurt David
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Pflaumenkern in den Gully. „Fünfundzwanzig Eier, die hab ich mir gestern nachmittag, Boys, so ganz nebenbei, Boys, an Pfitzners Esse verdient. Man lernt ja schließlich nicht umsonst in der Stadt Maurer, wie?“
    Sein Wie, das er mit einem Pflaumenkern aus seinem Mund über uns hinwegschoß, traf uns hart. Der Neid juckte in unseren Händen.
    „Jaja“, fügte er lässig hinzu, „mich wollten sie auch erst freiwillig auf die Mittlere zwingen, aber mein Alter hat da vielleicht Theater gemacht und zu mir gesagt: Geh mal gleich rabotten, da kriegste was in die Tasche. Professor brauche ich keinen in meiner Familie.“
    „Son Quatsch“, wehrte sich ein Mittelschüler, „kriegste was in die Tasche, als ob das alles wär. Und was kriegste in deinen Kopp, hä? Zeichne mir doch mal die Parabel y=x 2 + 2 /3 x —4, na?“
    „Fünfundzwanzig Eier sind mir lieber als das blöde Buchstabengefitze. Guck dir doch mal die Essen im Dorfe an! Ich hab mir jetzt schon ausgerechnet, wann ich mir einen Benzin-Fuchs kaufen kann. Und du? Was kannst du dir ausrechnen? Nischt, höchstens daß de Bammel haben mußt vor einer schlechten Zensur in Mathe. So ist das, Bubi!“
    Wir schwiegen bedrückt.    
    Kurzum: die fünfundzwanzig Mark waren zunächst der höchste Betrag, den einer gesammelt hatte.
    „Also bekommt der Kulake das Buch“, sagte dann Hufeisen.
    Und ich sagte: „Der Thekenwilli fehlt noch, vielleicht hat der mehr?“
    „Mehr“, antwortete Kulak, „mehr hat der nicht. Thekenwilli muß sonntags Biergläser spülen und die Bockwürste blankputzen.“
    Spazierten Erwachsene vorüber, wurden wir ganz still, grüßten unsicher. Die Großen wissen sowieso alles besser. Weshalb sollten wir uns erst in Gefahr begeben? Manche gucken so vorwurfsvoll zu uns, als würden wir immerfort das erzählen, was sie uns nicht hören lassen. Wir können auch auch unter der Eiche hocken, ohne was zu machen. Wir spielen am Schnürsenkel, schnippen Steinchen fort, schauen zur „Eule“ hinüber und mustern die Gäste durchs Fenster.
    Die Musikbesitzer hatten inzwischen ihre Sternchen an den untersten Ast der Eiche gehängt. Fünf Stück nebeneinander, fünf verschiedene Musiken von fünf verschiedenen Sendern, auf denen acht Rundfunkstationen zu hören waren. Die einen lauschten einer Oper, die anderen einer Operette, und wem das zu unsicher war, hörte Karel Krautgartners Mannen, die twistend und blasend drei Kammerkonzertvereinigungen und zwei verstärkte Sinfonieorchester außer Gefecht setzten. Wer überhaupt nichts von Musik hielt, dem wurde noch ein populärwissenschaftlicher Vortrag geboten, mit dem Thema: Hat unsere Jugend für die klassische Musik wirklich nichts übrig?
    Unsere Dorfeiche dröhnte und sah mit einemmal viel jünger aus. Die Musiken jubelten, Opern, Operetten, Schlager, Sinfonien, Streichquartette, sie jubelten durch das Gewirr der Äste, kletterten bis in die äußersten Zweige, flatterten wieder herunter. Es war herrlich, natürlich nicht sehr lange; denn im Vorgarten „Zur Eule“ saßen

    drei Männer am Tisch und klatschten Skat. Sie drohten uns mehrmals mit der Faust. Bald kam einer zu uns herüber und schnauzte: „Nu macht mir bloß die schreienden Büchsen aus. Man versteht ja beim Skat sein eigenes Wort nicht.“
    „Hauptsache, Sie gewinnen immer, Chef!“
    „Spiel mir nicht den Bockigen, Maurerstift“, sagte der Eulenmensch. „Sonst pflück ich euch die fünf Krawallschachteln vom Ast und geb sie Ziegenwilhelms Hund zu fressen, klar.“
    „Der is aber nicht für Klassik“, erwiderte der Maurerlehrling und lachte.
    Der Skatspieler guckte böse, worauf die Jungen die Sternchen vom Ast nahmen. „Euer Glück!“ sagte der Mann und machte ein Gesicht, als wäre er bereit, für den Skat sein ganzes Leben einzusetzen.
    Der Mann ging zurück in die „Eule“.
    Wir blickten ihm grimmig nach.
    Unter der Prominentenpalme war es totenstill. Die Eiche wirkte wieder alt und grau, zitterte an ihren Asthänden und verlor erneut ein paar Blätter.
    „Eine Schande“, sagte der Mittelschüler. „So was müssen wir uns nun von dem gefallen lassen. Dabei kann der Skatheini nich mal eine Gleichung mit fünf Unbekannten ausknobeln.“
    Und Kulak erzählte, dieser Mann wäre Herr Prittelpatz, und Herr Prittelpatz sei so fanatisch und könne sechsunddreißig Stunden hintereinander Skat spielen.
    Natürlich fragten wir Kulak, wieso gerade sechsunddreißig Stunden. Und er sagte: Prittelpatz sage bei Skatabenden
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