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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan
Autoren: Freihheit
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Zeit häufiger vor.
Der Bürgermeister der Stadt, Norm Coleman, war zum
Republikaner mutiert, und ein früherer Profiringer nahm Kurs auf die
Gouverneursvilla. In Carols Fall war der Katalysator ihr neuer Freund Blake,
ein ziegenbärtiger junger Baggerführer, den sie an ihrem Schalter in der
Stadtverwaltung kennengelernt hatte und für den sie ihr Erscheinungsbild
dramatisch veränderte: keine aufwendige Frisur und Begleitservice-Kleidung
mehr, dafür enge Hosen, ein einfacher Stufenschnitt und weniger Make-up. Eine Carol, wie sie noch nie jemand gesehen hatte, eine regelrecht glückliche Carol, sprang ausgelassen aus Blakes F-25oer Pick-up - kurz dröhnte
Hymnenrock die Straße rauf und runter - und knallte die Beifahrertür wieder zu.
Schon bald blieb Blake über Nacht bei ihr, schlurfte im Vikings-Trikot herum,
die Arbeitsstiefel ungeschnürt und eine Bierdose in der Hand, und binnen kurzem
ging er mit der Kettensäge auf jeden Baum im Garten los und jagte einen gemieteten
Bagger über das Grundstück. Auf der Stoßstange seines Pickups stand ich bin weiss und gehe wählen.
    Die
Paulsens, die selbst gerade eine lange Renovierungsphase hinter sich hatten,
mochten sich über den Lärm und das Durcheinander nicht beschweren, und Walter,
der Nachbar zur anderen Seite, war zu nett oder zu beschäftigt dafür, aber als
Patty, nach den Monaten mit Joey am See,
Ende August wieder nach Hause kam, drehte sie vor Empörung fast durch und lief
mit wildem Blick straßauf, straßab von Tür zu Tür, um über Carol Monaghan herzuziehen. «Entschuldigt bitte», sagte sie, «was ist denn
hier los? Kann mir mal jemand sagen, was hier los ist? Hat irgendwer den Bäumen
den Krieg erklärt, ohne es mir mitzuteilen? Wer ist dieser Paul Bunyan mit dem
Pick-up? Was geht da vor? Ist Carol nicht mehr
bloß Mieterin? Darf man Bäume abholzen, wenn man bloß zur Miete wohnt? Seit
wann kann man einfach die Rückwand eines Hauses einreißen, das einem gar nicht
gehört? Hat sie das Haus vielleicht gekauft, ohne dass wir etwas davon
mitgekriegt haben? Wie das denn, bitteschön? Sie kann ja noch nicht mal eine
Glühbirne auswechseln, ohne meinen Mann anzurufen! dich beim Abendessen störe, Walter, aber wenn ich den Lichtschalter da umlege,
passiert nichts. Würde es dir was ausmachen, mal eben rüberzukommen? Und wenn
du dann schon hier bist, könntest du mir doch auch gleich bei meiner
Steuererklärung helfen, nicht, Walterschätzchen? Ich muss sie morgen abgeben, und meine Nägel sind noch nicht trocken.> Wie
sollte diese Person denn wohl einen Kredit bekommen? Muss sie nicht erst ihre Victoria's-Secret-Rechnungen bezahlen? Wieso darf
sie überhaupt einen Freund haben? Gibt es da nicht irgend so einen fetten
Typen drüben in Minneapolis? Sollte man
dem fetten Typen nicht vielleicht mal ein Licht aufstecken?»
    Erst als
Patty die Tür der Paulsens erreicht hatte, weit unten auf ihrer Liste
aufzusuchender Nachbarn, erhielt sie ein paar Antworten. Merrie erklärte ihr, Carol Monaghan miete das Haus inzwischen tatsächlich nicht mehr. Es sei
eines von mehreren hundert, die das städtische Wohnungsamt in den Jahren der
Verwahrlosung des Viertels in Besitz genommen habe und nun zu Schnäppchenpreisen
zu verkaufen beginne.
    «Wieso
weiß ich davon nichts?»
    «Du hast
nie nachgefragt», sagte Merrie. Und konnte nicht widerstehen hinzuzufügen:
«Politik hat dich ja offenbar nie besonders interessiert.»
    «Und ihr
meint, sie hat es billig bekommen.»
    «Sehr
billig. Kann eben nicht schaden, die richtigen Leute zu kennen.»
    «Und wie
findet ihr das?»
    «Ich
finde, es ist theoretisch genauso wie finanzpolitisch eine Sauerei», sagte
Merrie. «Ein Grund, warum ich für Jim Schiebel arbeite.»
    «Ihr wisst
ja, ich habe dieses Viertel immer geliebt», sagte Patty.
    «Ich habe
hier immer gern gewohnt, selbst am Anfang. Und plötzlich kommt mir alles so
schmutzig und hässlich vor.»
    «Nicht
verzagen, Aufstand wagen», sagte Merrie und gab ihr ein paar Bücher zum Thema.
    «Mit
Walter würde ich im Augenblick nicht gern tauschen», sagte Seth, als Patty
gegangen war.
    «Das freut
mich zu hören», sagte Merrie.
    «Habe ich
mich getäuscht, oder hast du da auch so einen Unterton ehelichen Unmuts
rausgehört? Ich meine - Carol bei der
Steuererklärung helfen, wusstest du das? Ziemlich interessant, finde ich,
davon habe ich nie was mitbekommen. Und nun konnte er nicht mal ihren schönen
Blick auf Carols Bäume
retten.»
    «Das
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