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Forschungen eines Hundes

Forschungen eines Hundes

Titel: Forschungen eines Hundes
Autoren: Franz Kafka
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ja alle kaum. Sie waren hervorgetreten, man hatte sie innerlich
    begrüßt als Hunde, sehr beirrt war man zwar von dem Lärm, der
    sie begleitete, aber es waren doch Hunde, Hunde wie ich und du,
    man beobachtete sie gewohnheitsmäßig, wie Hunde, denen man
    auf dem Weg begegnet, man wollte sich ihnen nähern, Grüße tau-
    schen, sie waren auch ganz nah, Hunde, zwar viel älter als ich und
    nicht von meiner langhaarigen wolligen Art, aber doch auch nicht
    allzu fremd an Größe und Gestalt, recht vertraut vielmehr, viele
    von solcher oder ähnlicher Art kannte ich, aber während man noch
    in solchen Überlegungen befangen war, nahm allmählich die
    Musik überhand, faßte einen förmlich, zog einen hinweg von die-
    sen wirklichen kleinen Hunden und, ganz wider Willen, sich sträu-
    bend mit allen Kräften, heulend, als würde einem Schmerz bereitet,
    durfte man sich mit nichts anderem beschäftigen, als mit der von
    allen Seiten, von der Höhe, von der Tiefe, von überall her kom-
    menden, den Zuhörer in die Mitte nehmenden, überschüttenden,
    erdrückenden, über seiner Vernichtung noch in solcher Nähe, daß
    es schon Ferne war, kaum hörbar noch Fanfaren blasenden Musik.
    Und wieder wurde man entlassen, weil man schon zu erschöpft, zu
    vernichtet, zu schwach war, um noch zu hören, man wurde entlas-
    sen und sah die sieben kleinen Hunde ihre Prozessionen führen,
    ihre Sprünge tun, man wollte sie, so ablehnend sie aussahen, anru-
    fen, um Belehrung bitten, sie fragen, was sie denn hier machten –
    ich war ein Kind und glaubte immer und jeden fragen zu dürfen –,
    aber kaum setzte ich an, kaum fühlte ich die gute, vertraute, hün-
    dische Verbindung mit den sieben, war wieder ihre Musik da,
    machte mich besinnungslos, drehte mich im Kreis herum, als sei
    ich selbst einer der Musikanten, während ich doch nur ihr Opfer
    war, warf mich hierhin und dorthin, so sehr ich auch um Gnade
    bat, und rettete mich schließlich vor ihrer eigenen Gewalt, indem
    sie mich in ein Gewirr von Hölzern drückte, das in jener Gegend
    ringsum sich erhob, ohne daß ich es bisher bemerkt hatte, mich
    jetzt fest umfing, den Kopf mir niederduckte und mir, mochte dort
    im Freien die Musik noch donnern, die Möglichkeit gab, ein wenig
    zu verschnaufen. Wahrhaftig, mehr als über die Kunst der sieben
    Hunde – sie war mir unbegreiflich, aber auch gänzlich unanknüpf-
    bar außerhalb meiner Fähigkeiten –, wunderte ich mich über ihren
    Mut, sich dem, was sie erzeugten, völlig und offen auszusetzen,
    und über ihre Kraft, es, ohne daß es ihnen das Rückgrat brach,
    ruhig zu ertragen. Freilich erkannte ich jetzt aus meinem
    Schlupfloch bei genauerer Beobachtung, daß es nicht so sehr Ruhe,
    als äußerste Anspannung war, mit der sie arbeiteten, diese schein-
    bar so sicher bewegten Beine zitterten bei jedem Schritt in unauf-
    hörlicher ängstlicher Zuckung, starr wie in Verzweiflung sah einer
    den anderen an, und die immer wieder bewältigte Zunge hing
    doch gleich wieder schlapp aus den Mäulern. Es konnte nicht
    Angst wegen des Gelingens sein, was sie so erregte; wer solches
    wagte, solches zustande brachte, der konnte keine Angst mehr ha-
    ben. – Wovor denn Angst? Wer zwang sie denn zu tun, was sie hier
    taten? Und ich konnte mich nicht mehr zurückhalten, besonders
    da sie mir jetzt so unverständlich hilfsbedürftig erschienen, und so
    rief ich durch allen Lärm meine Fragen laut und fordernd hinaus.
    Sie aber – unbegreiflich! unbegreiflich! – sie antworteten nicht,
    taten, als wäre ich nicht da. Hunde, die auf Hundeanruf gar nicht
    antworten, ein Vergehen gegen die guten Sitten, das dem kleinsten
    wie dem größten Hunde unter keinen Umständen verziehen wird.
    Waren es etwa doch nicht Hunde? Aber wie sollten es denn nicht
    Hunde sein, hörte ich doch jetzt bei genauerem Hinhorchen sogar
    leise Zurufe, mit denen sie einander befeuerten, auf Schwierigkeiten
    aufmerksam machten, vor Fehlern warnten, sah ich doch den letz-
    ten kleinsten Hund, dem die meisten Zurufe galten, öfters nach
    mir hinschielen, so als hätte er viel Lust, mir zu antworten, be-
    zwänge sich aber, weil es nicht sein dürfe. Aber warum durfte es
    nicht sein, warum durfte denn das, was unsere Gesetze bedin-
    gungslos immer verlangen, diesmal nicht sein? Das empörte sich in
    mir, fast vergaß ich die Musik. Diese Hunde hier vergingen sich
    gegen das Gesetz. Mochten es noch so große Zauberer sein, das
    Gesetz galt auch für sie, das verstand ich
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