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Flug ins Gestern

Flug ins Gestern

Titel: Flug ins Gestern
Autoren: A. Bertram Chandler
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meiner Seele. Und wie lange war er Käpt’n gewesen – als Offizier so gut wie im übertragenen Sinne.
    Was nun mit ihm geschehen sollte, war mehr als eine gewöhnliche Hypnose. Der Telepath würde in sein Innerstes, die Tiefen seiner Seele, eindringen und dort mit seiner Arbeit beginnen. Grimes’ Psyche würde Stück für Stück auseinandergenommen werden.
    Glücklicherweise waren er und Mayhew Freunde, sehr alte Freunde. Grimes vertraute Mayhew. Trotzdem gefiel ihm die Sache nicht, aber es mußte sein.
    Der Kommodore saß im Sessel des Kommandanten im Kontrollraum, von wo aus ein einziger Mann alle Systeme des Schiffes steuern konnte. Meist waren die Aufgaben verteilt – es kam selten vor, daß ein einzelner die ganze Verantwortung trug. Aber Mayhew hatte eindringlich erklärt, daß es nun wichtig war, daß Grimes sich als Gehirn des Schiffes, die Faraway Quest als seinen mechanischen Körper begriff.
    Grimes saß vor den Kontrollen, seine Finger lagen auf den Schaltknöpfen des Kommandopults, weitere Schaltelemente befanden sich in hüfthohen Konsolen direkt vor ihm. Hinter einer von ihnen stand Mayhew und sah den Kommodore an, neben ihm Sonja, Williams und Carnaby. Mayhew hatte darauf bestanden, daß kein anderes Mitglied der Crew anwesend war. Zuerst hatte er sich sogar geweigert, die Frau des Kommodores und die beiden Offiziere dabei sein zu lassen, wenn er mit seiner Arbeit begann. »Sie bleiben«, hatte Grimes entschieden. »Wenn die Sache schiefgeht, ist jemand da, der sofort die Kontrollen übernehmen kann.«
    Mayhew reichte Grimes ein kleines Röhrchen mit einer klaren Flüssigkeit. »Trinken Sie das, John.«
    »Was ist das, Ken?« fragte der Kommodore mißtrauisch. »Irgendein Halluzinogen?«
    »Nein«, grinste der Telepath. »Nur ein leichtes Beruhigungsmittel. Sie sind zu aufgeregt …«
    »Dann, runter damit!« brummte Grimes. Er nahm das Glas und trank den Inhalt mit einem Zug aus. »Schmeckt wie Wassersuppe. Konnten Sie keine Eiswürfel und etwas Aroma hineingeben? Ich mag meinen Gin, aber nicht warm und fade.«
    »Auf die Wirkung kommt es an, nicht auf den Geschmack«, bemerkte Mayhew amüsiert. »Merken Sie schon etwas? Sie werden müde, John. Sie haben in den letzten Tagen viel zu wenig geschlafen, und jetzt sind Sie müde, sehr müde …« Grimes glaubte, daß die Stimme des Telepathen sich veränderte. Hatte Mayhew anfangs ruhig und langsam gesprochen, so wurden seine Worte nun immer eindringlicher. Sie füllten Grimes’ Bewußtsein aus, ließen kaum Platz für eigene Gedanken.
    Und ich hätte nicht soviel von diesem Gin trinken sollen, dachte er. Er versuchte, sich eine große Tasse mit starkem, dampfendem Kaffee vorzustellen, dann verschwand das Bild. Er hatte sich freiwillig der Prozedur ausgesetzt, oder? Wenn er sich dazu nur nicht der Kontrolle eines anderen hätte unterwerfen müssen …
    »Sehr müde, John … Warum entspannen Sie sich nicht? Jeder Muskel ihres Körpers wird schlaff. Entspannen, John, entspannen …«
    Und als nächstes wirst du mir erzählen, daß ich den unbändigen Wunsch habe, meinen Arm zu heben, dachte Grimes. Und ich werde dir den Gefallen tun, damit ich meine Ruhe habe und du deinen Willen. Wenn nur nicht dieses verdammte Gefühl wäre, daß jemand in meinem Kopf herumkramt …
    »Ruhig … ganz ruhig. Sie spüren Ihren Körper, jede Faser, jede Zelle. Sie versinken in sich … Sie spüren ihren rechten Fuß …«
    Und Grimes spürte ihn, die Knochen, Sehnen, Muskeln, die Haut, Zehen und Zehennägel, sogar das Kratzen der alten Socken.
    Als ob es keine schöneren Füße gäbe, dachte Grimes, und sein Blick fand Sonja, ihre langen, schlanken Beine, die aus dem knappen Uniformrock ragten. Aber er spürte seinen Fuß.
    »Jetzt ist es gut, John«, hörte er Mayhews Stimme. »Sie können den Fuß nicht mehr bewegen. Ist es überhaupt Ihr Fuß, oder gehört er jemand anderem? Wem, John? Wem könnte er gehören?«
    Und plötzlich war es kein menschlicher Fuß mehr. Es war eine Klaue, die über ein schmutziges hölzernes Deck schrabbte.
    Grimes befand sich nicht mehr in der Zentrale der Faraway Quest. Er war in einem primitiven Dampfschiff auf Tharn, einer der östlichen Randwelten. Er betrachtete (wie schon einmal vor langer Zeit) mit einer Mischung aus Mitleid und Abscheu den lebenden Kompaß, einen großen Zugvogel, dessen Flügel brutal gestutzt worden waren. Er sah die nach oben ragende Spindel, die durch einige Decks hindurch bis in die Brücke stieß, in einen
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