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Fluch der Engel: Roman (German Edition)

Fluch der Engel: Roman (German Edition)

Titel: Fluch der Engel: Roman (German Edition)
Autoren: Diana Itterheim , Jessica Itterheim
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Treppengeflecht. Meine Hoffnung, hier auf Philippe zu stoßen, erfüllte sich nicht. Dafür verlor ich in dem dreidimensionalen Gefüge schnell die Orientierung, weil ich mich nicht überwinden konnte, mir die grausamen Abbildungen der gequälten Geschöpfe anzusehen, mit deren Hilfe meine Begleiter den Weg nach oben fanden. Dass sie mir erst am Ende der Treppenhalle die Augen verbanden, war sicher kein Zufall.
    Grob schubsten sie mich einen dumpf hallenden Flur entlang, indem es zunehmend nach Salz roch. Als am Ende ein Boot und nicht Aron, mein nach Meer riechender Tutor, auf mich wartete, fühlte ich einen kurzen Anflug von Erleichterung. Sie verschwand, als Arons Anblick sich vor meinem inneren Auge manifestierte. Eine passende Erklärung, warum ich im Alleingang versuchte, meinen besten Freund aus Sanctifers Händen zu befreien, hatte ich noch keine. Und ob ich das zuerst Aron oder Christopher beichten sollte, wusste ich auch noch nicht. Sauer würden beide werden.
    Das weiche Etwas, über das ich stolperte, nachdem die Kajütentür ins Schloss gefallen war und sich die Gondel in Bewegung gesetzt hatte, stöhnte gequält: Philippe! Erleichtert atmete ich auf, da ich inzwischen nicht mehr daran geglaubt hatte, dass Sanctifer sein Versprechen einhalten würde, und riss mir die Augenbinde vom Kopf. In dem fensterlosen Rumpf nützte das nur wenig. Vorsichtig tastete ich mich durch die Dunkelheit. Ein wuscheliger Haarschopf wand sich aus meinem Griff.
    »Lass mich … schlafen. Dann … verschwindet … die Kälte.«
    Meine Alarmglocken schrillten alle auf einmal. Philippe schlotterte nicht nur, als wäre er auf Eis gebettet, seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Ob seine Seele tatsächlich in Gefahr war oder Sanctifer mir nur etwas vorgemacht hatte, spielte keine Rolle. Philippe schien am Ende seiner Kräfte zu sein und ich die Einzige, die ihm helfen konnte. Behutsam wickelte ich ihn in meinen schwarzen Umhang, hievte ihn auf die Sitzbank und setzte mich neben ihn, um ihn zu wärmen.
    »Ich bringe dich zurück, in Sicherheit«, versprach ich leise, während ich ihm beruhigend über den Rücken strich.
    Ein Rumpeln, und ich kippte von der schmalen Bank. Philippe konnte ich gerade noch abstützen, damit er nicht auch auf dem Boden landete. Entweder war der Gondoliere blind oder etwas hatte uns gerammt. Ein zweiter Schlag katapultierte mich wieder auf Philippe zu. Er stöhnte, als ihn zuerst die Bordwand und danach mein Ellbogen traf – irgendetwas stimmte hier nicht.
    Mit einem geflüsterten »Alles wird gut!« fuhr ich kurz durchPhilippes Haare, bevor ich im Dunkeln nach der Kajütentür tastete. Gerade als die Gondel ein weiteres Mal gerammt wurde, drückte ich die Klinke und flog förmlich zur Tür hinaus. Dass nur meine Knie und nicht auch mein Kopf auf dem harten Schiffsboden aufschlugen, verdankte ich Arons Gleichgewichtstraining. Philippe hatte weniger Glück, wie mir der dumpfe Aufprall verriet, dem ein Schmerzenslaut folgte.
    Ich ließ ihn, wo er war. Tiefer konnte Philippe nicht fallen – zumindest nicht im Moment. Um ihm wirklich zu helfen, musste ich ein anderes Problem lösen und ihn in seine Welt zurückbringen. Allerdings hatte ich keine Ahnung, wie ich das bewerkstelligen sollte. Wir trieben irgendwo in einer führerlosen Gondel in einem stockdunklen Kanaltunnel.
    Um nicht erneut von den Beinen gerissen zu werden, robbte ich auf allen vieren zum Heck der Gondel. Dass dort ein Ruder auf mich wartete, überraschte mich. Doch irgendwie passte es zu Sanctifer, mich im Dunkeln stochern zu lassen.
    Das Boot verlor an Geschwindigkeit, aber mehr als ein leises Plätschern, sobald die Bugwelle auf die Schachtwände traf, war nicht zu hören – worüber ich eigentlich froh sein sollte. Mulmig wurde mir trotzdem. Dass Sanctifer Irrlichter oder eine andere dämonenhafte Spezies auf mich hetzte, konnte ich mir lebhaft vorstellen.
    Als sich das Plätschern plötzlich in der Tiefe verlor, stemmte ich das Ruder so fest wie möglich gegen die Kanalwand, um das Boot zu stoppen – allerdings gab es keine Wand mehr.
    Kopfüber plumpste ich in das brackige Wasser. Frostige Kälte umgab mich. Alte Ängste erwachten. Dunkelheit in Kombination mit eisigem Wasser hasste ich. Panisch erstickte ich die Erinnerung an das Totenreich. Meinem sich verabschiedenden Verstand einzutrichtern, dass ich jetzt ein Racheengel war und mich vor Wesen wie der Totenwächterin nicht mehr zu fürchten brauchte, erwies sich dennoch
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