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Flora Segundas magische Missgeschicke

Flora Segundas magische Missgeschicke

Titel: Flora Segundas magische Missgeschicke
Autoren: Random House
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war er es wirklich?
    »Ich kenne dich, Flora Nemain Fyrdraaca ov Fyrdraaca die Zweite. Warum kennst du mich nicht?«, fragte der Junge stirnrunzelnd.
    »Weil ich dich noch nie zuvor gesehen habe und du nicht aussiehst wie ein Butler.«
    Er sank ein wenig in sich zusammen und rang melodramatisch die Hände. »Ich weiß, ich weiß. Ich bin
wirklich nicht in guter Verfassung. Du hättest mich früher sehen sollen, bevor mich deine Mama ausgesaugt und beiseitegefegt hat. Unter der Herrschaft von Azucar Fyrdraaca trug ich eine Löwenmähne und goldene Fingernägel. Als Anacreon Fyrdraaca Herr über das Haus war, hatte ich sechs Arme und war vier Meter groß …«
    »Dann hast du dir bestimmt oft den Kopf an den Türrahmen gestoßen.«
    Er schob die Unterlippe vor. »Die Räume und Türen waren damals ebenfalls größer. Du bist ziemlich schnippisch, Flora. Du überraschst mich, und du enttäuschst mich auch. Du bist die kleinste Fyrdraaca, an die ich mich erinnern kann, und mein Gedächtnis ist ausgezeichnet. Und diese winzigen blauen Augen – kneif sie nicht so zusammen. Dann siehst du richtig bösartig aus. Diese Haare – kämmst du sie überhaupt? Und dieser Mantel, den du anhast! Was für ein Anblick! Dieser breite Kragen und diese schrecklichen …«
    Jetzt war ich nicht mehr freudig erregt, sondern beleidigt. Es stimmt, dass ich nicht hübsch bin. Mein Haar ist rostig rot und lockig. Es kräuselt sich leicht. Und außerdem bin ich pummelig. Aber Waldläufer wollen nicht schön sein; sie wollen unauffällig sein. Nini Mo war auch nicht schön, aber sie war stark und flink und klug, und diese Tugenden sind viel wichtiger als Aussehen. Aber es ist unangenehm, wenn ein völlig Fremder sich so ungezwungen über persönliche Dinge auslässt.
    »Was stimmt denn nicht mit meinem Mantel?«, wollte ich wissen. »Es ist die neueste Mode.«

    »Eine Sklavin der Mode! Fyrdraacas bestimmen die Mode, sie folgen ihr nicht …«
    »Na, du siehst auch nicht besonders toll aus«, unterbrach ich ihn angriffslustig.
    »Du hättest mich früher sehen sollen. Damals war ich das beste Haus der ganzen Stadt – das strahlendste und herrlichste. Man hat meine glänzenden silbernen Dächer schon von den Alameda-Hügeln aus sehen können, und in der Nacht durchdrang das Licht meiner Lampen den dichtesten Nebel. Ich war unübertroffen. Bis deine Frau Mutter das Kommando über das Haus übernahm, mich von meinem rechtmäßigen Platz vertrieb und mich in diesen bemitleidenswerten Zustand versetzte. Jetzt schau mich an, was für ein Kümmerling ich geworden bin! Ich bin das Haus …«
    »Beweise es.«
    Er stockte mitten im Satz. »Es beweisen?«
    »Ayah. Beweise, dass du unser Butler bist. Du behauptest, du bist es, aber das bedeutet gar nichts. Du könntest irgendwer sein.«
    »Aber ich bin Valefor Fyrdraaca!«, protestierte er.
    »Das sagst du. Mach etwas … Butlerisches.«
    »Aber das kann ich nicht. Ich bin verbannt!«
    »Wie praktisch«, sagte ich sarkastisch, als kleine Retourkutsche für seine unhöflichen Bemerkungen über meine Kleidung und mein Äußeres. Natürlich war er Valefor – wer sollte er sonst sein?
    Wieder knetete er seine Hände und sagte jammervoll: »Ich bin wirklich Valefor. Woher sollte ich sonst wissen, wer du bist? Mein Wille ist Fyrdraaca-Wille …«

    »Butler haben keinen eigenen Willen. Sie sind nur Diener ihres Hauses.«
    Er plusterte sich auf. »Einige Diener erlangen niemals Macht und bleiben auf ewig jenen untertan, die sie erschaffen haben, immer ihrer Aufgabe verpflichtet. Aber ich, Valefor, habe mich solcherart entwickelt, dass ich nach meinem freien Willen handeln kann, wie es dem Haus zum Besten gereicht.«
    »Aber wenn du einen freien Willen hast, wie kommt es dann, dass du verbannt werden konntest?«
    Er holte tief Luft und blies die Backen auf. »Ich bin ein Egregor der fünften Klasse, aber ich bin nicht vollkommen. Ich existiere, um dem Haupt der Fyrdraaca-Familie zu dienen, deiner lieben Frau Mutter, deren Sturheit keine Grenzen kennt. Sie hat mich in dieses Gefängnis verbannt, aber sie wagte nicht, mich gänzlich verschwinden zu lassen. Es ist nicht so, dass ich zum Nutzen des Hauses erschaffen wurde – ich bin das Haus, jeder Stein, jedes Stück Marmor, der Mörtel, die Dachziegel, die Nägel, Balken, die Goldfarbe an den Säulen; mich zu zerstören hieße, deine Familie zu zerstören …«
    Diese fantastische Entdeckung hätte mich in helle Aufregung versetzen müssen: Hier stand ich, mit
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