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Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie

Titel: Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie
Autoren: Alan Bradley
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Marleys treibt auch sein Geist noch immer sein Unwesen. Wie dir vielleicht aufgefallen ist.«
    »Und wir haben ihn umgebracht«, sagte Vater tonlos.
    Hatte ich mich verhört? Das konnte doch nicht …
    Ich nahm das Ohr von der Tür, beugte mich zum Schlüsselloch hinunter und verpasste deshalb Vaters nächste Worte. Er stand neben dem Schreibtisch mit dem Gesicht zur Tür. Der
Fremde wandte mir den Rücken zu. Er war auffallend groß, bestimmt eins neunzig, schätzte ich. Mit den roten Haaren und dem schäbigen grauen Anzug erinnerte er mich an den Kanadakranich, der ausgestopft in einer düsteren Ecke im Feuerwaffenmuseum stand.
    Ich spitzte wieder die Ohren.
    »… Schande verjährt nicht«, sagte der Fremde. »Was sind schon ein paar Tausender für dich, Schnäppi? Du musst nach Harriets Tod doch einen ordentlichen Reibach gemacht haben. Mensch, allein die Versicherung …«
    »Halt dein dreckiges Maul!«, rief Vater. »Und verschwinde, sonst …«
    Da packte mich jemand von hinten und drückte mir eine raue Hand auf den Mund. Mir blieb fast das Herz stehen.
    Der Griff war so fest, dass ich nicht mal zappeln konnte.
    »Geh wieder ins Bett, Miss Flavia«, raunte mir jemand heiser ins Ohr.
    Es war Dogger.
    »Das hier geht dich nichts an«, flüsterte er. »Geh wieder ins Bett.«
    Er lockerte seinen Griff. Ich riss mich los und warf ihm einen giftigen Blick zu.
    Obwohl kein Licht brannte, konnte ich erkennen, dass sein Blick ein bisschen milder wurde.
    »Zisch ab!«, raunte er.
    Also zischte ich ab.
    In meinem Zimmer ging ich eine ganze Weile wütend auf und ab, wie immer, wenn mir jemand einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte.
    Ich ließ mir das Gehörte noch einmal durch den Kopf gehen. Vater ein Mörder? Ausgeschlossen! Wahrscheinlich gab es eine ganz harmlose Erklärung. Hätte ich doch nur den Rest der Unterhaltung mit angehört … Hätte mich Dogger bloß nicht erwischt! Was bildete der Kerl sich überhaupt ein?

    Dir werd ich’s zeigen, dachte ich.
    »Und zwar ohne viel Federlesens!«, verkündete ich laut.
    Ich ließ José Iturbi aus seiner grünen Papierhülle gleiten, zog mein tragbares Grammophon tüchtig auf, legte die zweite Seite von Chopins Polonaise in As-Dur auf den Plattenteller, warf mich aufs Bett und sang schallend:
    »DAH-dah-dah-dah, DAH-dah-dah-dah, DAH-dah-dah-dah, DAH-dah-dah-dah …«
    Es klang wie die Begleitmusik zu einem Film, in dem jemand einen alten Bentley ankurbelt, der andauernd stotternd wieder ausgeht. Nicht gerade das, womit man sich sanft ins Land der Träume wiegen lässt …
     
    Als ich die Augen aufschlug, stahl sich perlgrau die Morgendämmerung zum Fenster herein. Die Zeiger meines Messingweckers standen auf 3:44 Uhr. Mit der Sommerzeit wurde es immer sehr früh hell, und in nicht mal einer Viertelstunde würde die Sonne aufgehen.
    Ich reckte mich gähnend und kletterte aus dem Bett. Der Plattenspieler war längst stehen geblieben, mitten in der Polonaise; die Nadel lag reglos auf der Rille. Ich erwog flüchtig, ihn wieder aufzuziehen und das Haus mit einem polnischen Weckruf zu beglücken, aber dann fiel mir ein, was erst vor wenigen Stunden geschehen war.
    Ich ging zum Fenster und schaute in den Garten hinunter. Dort lag der Geräteschuppen mit seinen taubeschlagenen Scheiben, und der kantige Umriss dort drüben war Doggers umgekippte Schubkarre, die er in der Aufregung des Vortags einfach hatte liegen lassen.
    Ich beschloss, die Schubkarre zur Wiedergutmachung richtig hinzustellen, auch wenn ich selbst nicht recht wusste, was ich eigentlich bei Dogger wiedergutzumachen hatte. Trotzdem zog ich mich an und ging leise die Hintertreppe zur Küche hinunter.

    Als ich am Fenster vorbeikam, fiel mir auf, dass jemand Mrs Mullets Kuchen angeschnitten hatte. Merkwürdig, dachte ich, denn von uns de Luces war es bestimmt niemand gewesen. Falls es irgendetwas gab, worin wir uns einig waren, etwas, das uns als Familie zusammenhielt, dann war es die einmütige Abneigung gegenüber Mrs Mullets Schmandkuchen.
    Jedes Mal, wenn sie statt der von uns geschätzten Rhabarberoder Stachelbeerkuchen einen ihrer gefürchteten Schmandkuchen produzierte, ließen wir uns entschuldigen, täuschten irgendwelche familiären Seuchen vor und schickten sie mitsamt dem Kuchen sowie unseren allerbesten Grüßen schnurstracks nach Hause zu ihrem Gatten Alf, damit sie ihr Machwerk an selbigen verfütterte.
    Als ich ins Freie trat, sah ich, dass das silbrige Licht der Morgendämmerung den Garten in
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