Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
es, wie alt die Häuser sind? Und wo, um Himmels willen, sind die ganzen Leute?«
    »Im Pub, nehme ich an. Schauen wir nach, ja?« Frank nahm meinen Arm und führte mich durch die Pforte und die Gereside Road hinunter.
    »Früher«, berichtete er im Gehen, »und das ist noch gar nicht so lange her, war es üblich, etwas zu töten, wenn ein Haus gebaut wurde, und es unterm Fundament zu begraben - das sollte die Erdgeister besänftigen. ›Er wird die Grundfesten in seinem Erstgeborenen errichten, und in seinem jüngsten Sohn wird er die Tore bauen.‹ So alt wie die Berge.«
    Ich schauderte bei dem Zitat. »Dann ist es wohl sehr modern und aufgeklärt, daß die Leute statt dessen Hähne nehmen. Du meinst also, da die Häuser ziemlich neu sind, ist nichts unter ihnen begraben worden, und dem helfen die Bewohner jetzt ab?«
    »Genau.« Frank tätschelte mir wohlwollend den Rücken. »Nach Auskunft des Pfarrers denken viele Leute hier, zum Krieg sei es unter anderem deshalb gekommen, weil die Menschen ihre Wurzeln vergessen und es versäumt hätten, geeignete Sicherheitsmaßnahmen zu treffen, das heißt, ein Opfer unterm Fundament zu vergraben oder Fischgräten im Herdfeuer zu verbrennen - außer Schellfischgräten natürlich«, fügte Frank in seliger Weitschweifigkeit hinzu. »Schellfischgräten verbrennt man grundsätzlich nicht - wußtest du das? -, sonst fängt man nie wieder einen. Schellfischgräten muß man vergraben.«
    »Ich werde es mir merken«, antwortete ich. »Sag mir, was ich machen muß, um nie wieder einen Hering zu sehen, und ich werde es umgehend tun.«
    Frank schüttelte den Kopf, da er auf einem seiner geistigen Höhenflüge war, jenen kurzen Phasen gelehrter Verzückung, in denen er den Kontakt zu seiner unmittelbaren Umgebung verlor und sich ganz darauf konzentrierte, aus allen erreichbaren Quellen Wissen zu schöpfen.
    »Hering? Keine Ahnung«, sagte er zerstreut. »Aber gegen Mäuse hängst du Zittergras auf - ›Hast du Zittergras im Haus, siehst du nie mehr eine Maus.‹ Aber Leichen unterm Fundament - daher kommen viele von den Gespenstern hier. Du kennst Mountgerald,
das große Haus am Ende der High Street? Dort treibt ein Gespenst sein Unwesen, ein Maurer, der beim Bau mitgearbeitet hat und als Opfer für die Erdgeister getötet wurde. Irgendwann im achtzehnten Jahrhundert; das ist wirklich noch nicht lange her«, fügte Frank nachdenklich hinzu.
    »Es heißt, auf Weisung des Bauherrn sei zunächst eine Mauer hochgezogen worden. Dann habe man von deren Krone einen Steinblock auf einen der Maurer fallen lassen - vermutlich wurde ein unangenehmer Kerl ausgewählt -, und anschließend sei er im Keller begraben und der Rest des Hauses über ihm errichtet worden. Er geht im Keller um, wo er getötet wurde, außer an den vier alten Jahreszeitenfesten.«
    »Den vier alten Jahreszeitenfesten?«
    »Ja, die alten Feste«, erklärte Frank. »Imbolc, das ist der keltische Frühlingsanfang am ersten Februar; Beltene, das Maifest; Lugnosa am ersten August führt den Herbst ein; und Samhain, der erste November - das spätere Allerheiligen. Druiden, Glokkenbecherkultur, Pikten, sie alle feierten, soviel wir wissen, die Sonnen- und Feuerfeste. Wie auch immer, an diesen Tagen sind die Geister frei, können umherwandern und Gutes oder Böses tun, wie es ihnen beliebt.« Frank rieb sich versonnen das Kinn. »Die Frühlingstagundnachtgleiche haben wir hinter uns, wir nähern uns Beltene. Paß also lieber auf, wenn du das nächste Mal am Friedhof vorbeikommst.« Er zwinkerte, und ich merkte, daß er aus seiner Trance erwacht war.
    Ich lachte. »Gibt es hier viele berühmte Gespenster?«
    Frank zuckte die Achseln. »Das weiß ich nicht. Wir werden den Pfarrer fragen, wenn wir ihn sehen, ja?«
    Tatsächlich trafen wir den Pfarrer weitaus eher als vermutet. Er saß, zusammen mit den meisten anderen Dorfbewohnern, im Pub und trank anläßlich der Häuserweihe ein Helles.
    Zwar schien er ziemlich verlegen, weil er dabei ertappt worden war, heidnische Bräuche zu dulden, aber er tat es beiläufig als bloße lokal-historische Gepflogenheit ab.
    »Obwohl es durchaus faszinierend ist«, vertraute er uns an, und ich erkannte, innerlich seufzend, das Lied des Gelehrten. Frank lauschte dem Ruf einer verwandten Seele, begann sofort mit dem akademischen Balztanz, und binnen kurzem waren sie bis über beide Ohren in Archetypen und die Parallelen zwischen Aberglauben
und Religion vertieft. Ich zuckte die Achseln und bahnte mir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher