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Fesseln der Leidenschaft

Fesseln der Leidenschaft

Titel: Fesseln der Leidenschaft
Autoren: Johanna Lindsey
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empfand?
    »Lady?«
    Sie drehte sich um und sah Lanzo noch auf dem Boden liegen. Der junge Mensch beobachtete sie vorsichtig. Da erkannte sie plötzlich, was sie Schreckliches getan hatte. Sie hatte sich in Ritterkämpfe eingemischt und einen Knappen angegriffen, Ranulfs Knappen. Er war nicht verletzt, nur argwöhnisch, ob Reina ihn gleich wieder attackieren würde, wenn er aufstünde. Doch er bekam wirklich Angst, als sie neben ihm auf die Knie sank.
    »Lanzo, es tut mir so leid.«
    Seine Augen flackerten vor Schreck, weil sie sich so erniedrigte und sich bei ihm entschuldigte. »Lady, bitte, stehen Sie auf.«
    »Nein, Sie müssen mir sagen, daß Sie mir verzeihen können.«
    »Lady, stehen Sie auf«, flehte er sie an. »Wenn Ranulf das hört, wird er mich töten.«
    Sie schnitt eine Grimasse. »Ich bin hier im Unrecht, also kann er im Zweifelsfall nur mich töten.« Dann fügte sie besorgt hinzu: »Sind Sie in Ordnung?«
    »Natürlich.« Er schnaubte entrüstet.
    Sie lächelte erleichtert und bot ihm die Hand, so daß sie sich beide erheben konnten. »Dann werden Sie mir vergeben?«
    »Es gibt nichts zu vergeben, Lady«, versicherte er, unangenehm berührt, weil sie nicht locker ließ. »Sie haben den Kampf mißverstanden, das ist alles.«
    »Das stimmt. Aber um meines Seelenfriedens willen – können Sie mit Aylmer ein wenig nachsichtiger umgehen, bis Sie den Eindruck haben, daß er der Sache gewachsen ist?«
    Lanzo grinste und nickte, und Reina entfernte sich. Als sie wenige Sekunden später hörte, wie Aylmer höchst wehklagend ihren Namen rief, wußte sie, daß Lanzo dem Jungen ihre Wünsche mitgeteilt hatte. Sie blieb stehen. Der Kleine war schließlich erst sieben Jahre alt. Er hatte noch eine lange Zeit vor sich, in der er geschlagen und verwundet werden konnte.

44

    Reina hatte ihre Gäste vergessen, bis Gilbert, der sie suchte, sie im Vordergebäude traf. Lord Roghton und seine Frau baten auf ihrem Weg nach London um ein Nachtquartier. Das war ein allgemein üblicher Vorfall. Wenn in London Hof gehalten wurde, kamen zwei-bis dreimal in der Woche Reisende ins Schloß.
    »Ich habe diesen Namen noch nicht gehört. Woher kommen die Leute?«
    »Nordumbrien.«
    »Oh, von so weit her? Gut, heißen Sie sie willkommen, Gilbert, und lassen Sie ihnen ein Zimmer herrichten. Und wenn ich es schaffe, heimlich durch die Halle zu schleichen«, fügte sie lächelnd hinzu und blickte an ihrer schmutzigen Kleidung herunter, »würde ich sie gerne beim Abendessen begrüßen.«
    »Ja, meine Lady, aber der Lord ist vor vielen Jahren schon einmal hier aufgetaucht.« Das wollte Gilbert seiner Herrin nicht verschweigen. »Er bat damals auch um Quartier für eine Nacht und blieb dann fast vierzehn Tage.«
    Auch das kam öfter vor. Leute, die wenig Rücklagen oder nur ein Gut besaßen, brauchten ihre Vorräte auf und reisten dann monatelang herum. Sie verweilten in verschiedenen Herrschaftshäusern, solange es nur eben möglich war, und sparten eigene Kosten.
    »Einer von denen, eh?« Sie lachte vor sich hin, denn es war ihr egal, aus dem einfachen Grund, weil Clydon sich solche Extraausgaben leisten konnte.
    Sie vermochte sich immer noch nicht an den Namen zu erinnern, aber als sie später zum Essen herunterkam, erinnerte sie sich an den Mann. Sie war bei seinem letzten Besuch fünf oder sechs Jahre alt gewesen, und sie hatte ihn für die häßlichste Kreatur auf der Welt gehalten. Er war noch immer scheußlich anzusehen, aber sie war kein Kind mehr, das sich vor seinem Anblick fürchtete. Als Mann, der sich den Vierzigern näherte, war er früher schon übergewichtig gewesen, was sich noch verschlimmert hatte, aber das war nicht der springende Punkt. Er besaß grausame Augen – es gab kein anderes Wort dafür – und eine große Knollennase, die von ihnen ablenkte. Hinzu kamen zwei abscheuliche Narben: eine, die seinen Mund zu einem ständigen Hohnlächeln verzerrte, und eine, die seine Wange zerschnitt und die Haut unter dem linken Auge herabzog.
    Seine Frau war noch nicht anwesend. Reina konnte sie wegen ihres Ehemannes nur bedauern. Es wäre etwas anderes gewesen, wenn der Mann ein wenig Güte ausgestrahlt hätte, davon gab es aber keine Spur. Reina erinnerte sich nach und nach, daß Roghton sich damals mit seinen kleinen Sticheleien und Unverschämtheiten so unbeliebt gemacht hatte, daß er schließlich von Reinas Vater aufgefordert worden war, Clydon zu verlassen. Nun, sie würde merken, ob er sich verändert hatte, aber
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