Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ferien Auf Saltkrokan

Ferien Auf Saltkrokan

Titel: Ferien Auf Saltkrokan
Autoren: Astrid Lindgren
Vom Netzwerk:
auf allen Wegen herum und in allen Häusern, und überall wird sie mit einem »Sieh mal an, da ist ja unsere Tjorven« begrüßt, gerade so, als könnte man sich im Augenblick gar nichts Erfreulicheres denken als sie. Wenn sie böse wird – was vorkommt, denn sie ist kein Engel –, dann ist es, als würde eine Naturkraft entfesselt, mit Donner und Blitz, oh, oh, oh! Es geht aber schnell vorüber.
    Stina ist anders, sie ist ein kleines lustiges und verschmitztes Kind mit einem auffallenden zahnlosen Reiz. Wie es zugegangen ist, weiß ich nicht, sie hat es aber fertiggekriegt, sich sämtliche Vorderzähne im Oberkiefer auszuschlagen, und das verleiht ihrem Gesicht etwas Wildes und Malerisches, wenn sie lacht. Sie ist die große Märchenerzählerin der Insel, unglaublich ausdauernd. Selbst Papa, der doch im allgemeinen ganz kinderlieb ist und der sich gern mit anderen Kindern als nur seinen eigenen unterhält, ist, was Stina angeht, bereits vorsichtig geworden und macht einen kleinen Umweg, wenn er sie sieht. Obgleich er es abstreitet. »Im Gegenteil«, sagte er neulich. »Ich kann mir nichts Besseres vorstellen, als wenn Stina kommt und mir Märchen erzählt. Es ist nämlich so ein schönes Gefühl, wenn sie aufhört.«
    Johann und Niklas führen ein glückliches und ungeregeltes Leben mit Teddy und Freddy, die wirklich zwei kleine Amazonen sind, übrigens richtig hübsche. Auf diese Weise sieht man nicht viel von seinen Brüdern, besonders dann nicht, wenn abgewaschen werden soll. Ich höre nur so nebenbei davon reden, daß man »heute zum Angeln rausfahren will«, oder »wir gehen heute schwimmen«, »wir bauen eine Hütte«, »wir wollen uns ein Floß machen«, »wir wollen zur Schäre hinausfahren und Netze auslegen«. Das zum Beispiel tun sie heute abend. Morgen früh wollen sie hinaus und sie einholen, habe ich gehört. Um fünf Uhr. Falls sie so früh wach werden.
    Das taten sie. Um fünf Uhr wurden sie wach und schlüpften schnell in ihre Sachen und waren ebenso schnell unten bei Grankvists Steg, wo Teddy und Freddy mit ihrem Kahn warteten. Bootsmann war auch frühzeitig wach geworden. Jetzt stand er dort auf dem Steg und guckte Teddy und Freddy mit vorwurfsvollen Augen an. Wollten sie wirklich aufs Wasser hinaus, ohne ihn mitzunehmen?
    »Na, dann komm schon«, sagte Freddy. »Wo soll ein Bootsmann sein, wenn nicht in einem Boot? Aber du weißt vielleicht: Tjorven wird böse, daß es nur so kracht!«
    Es schien, als ob Bootsmann zögerte, als er Tjorvens Namen hörte. Aber nur einen Augenblick. Dann sprang er mit einem weichen Satz in den Kahn, der unter seinem mächtigen  Gewicht erzitterte.
    Freddy streichelte ihn.
    »Du denkst wahrscheinlich, du kommst noch rechtzeitig nach Hause, bevor Tjorven aufsteht, aber da hast du dich geirrt, mein Bootsmännchen.«
    Dann ergriff sie die Riemen und begann zu rudern.
    »So was können Hunde sich doch nicht überlegen«, sagte Johann.
    »Bootsmann denkt überhaupt nicht. Er springt ins Boot, nur weil er dich und Teddy da sieht.«
    Doch Teddy und Freddy versicherten, daß Bootsmann denken und empfinden könne wie ein Mensch.
    »Nur besser«, sagte Teddy.
    »Ich möchte wetten, daß es in diesem Hundeschädel nie einen bösen Gedanken gegeben hat«, sagte sie und streichelte den riesigen Kopf. »Wie ist es denn mit diesem Schädel?« fragte Johann und fuhr Teddy onkelhaft über den blonden Scheitel.
    »Der sitzt manchmal knüppeldick voll kleiner boshafter Gedanken«, gestand Teddy. »Freddy ist besser. Sie schlägt sicher nach Bootsmann.«
    Bis zur Schäre brauchten sie fast eine Stunde, und so vertrieben sie sich die Zeit damit, sich zu überlegen, wie es in ihren verschiedenen Schädeln aussah und welche Gedanken es dort gab. »Was denkst du zum Beispiel, Niklas, wenn du so etwas hier siehst?« fragte Teddy und machte eine Bewegung, die den ganzen wunderbaren, soeben erwachten Morgen mit weißen Sommerwolken am Himmel und flimmerndem Sonnengeglitzer auf dem Wasser umfing.
    »Dann denke ich an Essen«, sagte Niklas.
    Teddy und Freddy starrten ihn an.
    »An Essen? Wieso denn?«
    »Na ja, daran denke ich meistens«, sagte Niklas mit einem Grinsen. Johann pflichtete ihm bei.
    »Und außerdem hat er noch höchstens zwei Gedanken, und die liegen hier drinnen und schwappen«, sagte er und klopfte an Niklas' Stirn.
    »Aber in Johanns Schädel, da stehen die Gedanken so dicht wie ein Heringsschwarm«, sagte Niklas. »Manchmal quellen sie zu den Ohren heraus, wenn es drinnen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher