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Feentod

Feentod

Titel: Feentod
Autoren: Juliane Breinl
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fieberhaft, welche Ausrede sie am Donnerstagabend benutzen könnte, um aus dem Haus zu kommen. Aber ihr wollte einfach nichts einfallen. Eine erneute Gesangsstunde konnte sie nicht erfinden und »Lernen bei Alina« ging auch nicht. Wenn es später als neun wird, hole ich dich bei Alina ab, hörte sie schon die übliche Leier ihres Vaters. Je mehr sich Noraya den Kopf nach einer Ausrede zerbrach, desto schneller verflüchtigte sich ihr gutes Gefühl im Hinblick auf den großen Auftritt. Die vertraute Angst, eines Tages aufzufliegen, schob sich wie eine schwere Gewitterwolke vor all ihre Gedanken und Gefühle. Manchmal kam es Noraya vor, als ob das Leben für sie nur kurze Momente ungetrübter Freude parat hielt.
    Â»Wie machen wir das eigentlich morgen«, überlegte Alina laut. »Kommst du vorher bei mir vorbei oder treffen wir uns direkt beim Festival?«
    Â»Lass uns doch um halb drei am Haupteingang treffen«, schlug Noraya vor.
    Â»Und denk dran, eine Taschenlampe einzustecken. Nachts ist es dort zappenduster.«
    Â»Ja, Mutti. Und an meine Zahnbürste, zwei frische Unterhosen und das lebensnotwendige Kuscheltier werde ich auch denken.«
    Â»Ich mein ja nur«, schmollte Alina und schob sich eine Traube in den Mund. »Du warst ja noch nie in deinem Leben auf so einem Festival.«
    Noraya wollte widersprechen. Schließlich war sie im letzten Jahr sehr wohl einen Nachmittag lang auf dem Festival gewesen. Doch ihr Protest ging im Lärm einer Horde Fünftklässler unter, die der Pausengong aus der Schule trieb. Es war das Ende der sechsten Stunde und die zwei Freundinnen hatten gerade eine gemütliche Freistunde in der Sonne verbracht.
    Obwohl in den folgenden zwei Stunden Norayas Lieblingsfach Musik auf dem Stundenplan stand, konnte sie sich einfach nicht konzentrieren. Immer wieder schweiften ihre Gedanken ab. Gleich zwei Dinge beschäftigten sie: Zum einen wusste sie immer noch nicht, wie sie an diesem Abend zur Probe gehen sollte, ohne dass ihr Vater Verdacht schöpfte. Zum anderen machte sich wieder die Aufregung vor dem großen Auftritt breit. Bis zum Konzert waren es jetzt nur noch – sie rechnete nach – 28 Stunden und elf Minuten.
    Als sie nach Unterrichtsschluss endlich im Bus nach Hause fuhr, beschloss Noraya, Vale wegen ihres Terminproblems zu kontaktieren. Schließlich hatte er ihr explizit seine Hilfe angeboten und sie war inzwischen verzweifelt genug, um darauf zurückzukommen. An diesem letzten Probentermin war nicht zu rütteln.
    Vale musste einfach eine Idee haben, wie sie dorthin kommen konnte, ohne dass ihr Vater einen Tobsuchtsanfall bekam. Eilig tippte sie eine SOS-SMS. Nur kurze Zeit später kam die Antwort: Mir wird etwas einfallen. Ich melde mich. LG V.
    Noraya atmete auf. Vale hatte meistens gute Ideen, was ihre Situation betraf.
    Und tatsächlich. Noch ehe Noraya zu Hause in ihre Pantoffeln geschlüpft war, läutete das Telefon.
    Â»Hallo Valentino«, hörte Noraya ihren Vater mit freudigem Erstaunen ins Telefon rufen. »Jared kommt erst in drei Wochen zu Besuch.« Dann herrschte einen Moment Stille.
    Nur ab und an drang ein »Aha« oder ein »Ja, was kann man da nur machen« aus der Küche. Noraya verharrte still im Flur, um mitzuhören. Was hatte Vale vor?
    Â»Noraya müsste jeden Augenblick nach Hause kommen.«
    Das war ihr Stichwort. Noraya ließ die Haustür noch einmal laut klappen und rief laut »Ich bin’s« ins Haus hinein.
    Â»Noraya. Valentino braucht dringend Hilfe. Jalla, Jalla! Komm mal her.« Noraya eilte in die Küche und nahm den Hörer entgegen.
    Â»Von mir aus kannst du heute Abend dort einspringen«, raunte ihr Vater ihr zu. »Aber nur, wenn Valentino dich anschließend nach Hause bringt!«
    Noraya nickte, bemüht, nicht zu erfreut zu wirken.
    Â»Hallo«, begrüßte sie Vale und lauschte dann in Ruhe seinen Ausführungen.
    Â»Du wirst heute Abend auf einer Benefizveranstaltung im Jugendzentrum helfen. Karten abreißen.«
    Â»Was ist das denn für eine Veranstaltung?«
    Â»Ein Konzert zugunsten der Erdbebenopfer in der Türkei. Das findet heute tatsächlich statt. Erfunden ist nur, dass nicht du die Karten abreißen wirst, sondern Mara«, antwortete Vale und lachte leise.
    Â»Ja, das kann ich schon machen. Hoffe nur, dass es nicht zu lange dauert. Ich habe ja am nächsten Morgen Schule«, flunkerte
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