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Farm der Tiere

Farm der Tiere

Titel: Farm der Tiere
Autoren: George Orwell
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totalitärer »Gleichschaltung« unterworfen worden, die man billigerweise hätte erwarten können. Die Presse hat einigen berechtigten Grund zur Klage, doch im großen und ganzen hat die Regierung Wohlverhalten gezeigt und überraschende Toleranz gegenüber Minderheitsmeinungen geübt. Der dunkle Punkt der literarischen Zensur in England ist, daß sie weitgehend freiwillig geschieht. Unpopuläre Ideen lassen sich verschweigen und unbequeme Tatsachen verschleiern, ohne daß es hierzu eines amtlichen Verbots bedarf. Jeder, der lange genug im Ausland gelebt hat, wird Beispiele von sensationellen Nachrichtenmeldungen kennen - Themen, die an und für sich betrachtet, die Hauptschlagzeilen abgeben würden - , die in der britischen Presse überhaupt nicht auftauchten, und zwar nicht auf Grund eines Regierungseingriffs, sondern auf Grund einer generellen, stillschweigenden Übereinkunft, daß »es nicht angehe«, diese bestimmte Tatsache zu erwähnen. Soweit dies die Tageszeitungen betrifft, ist das leicht zu verstehen. Die britische Presse ist extrem zentralisiert und überwiegend im Besitz von wohlhabenden Männern, die allen Grund haben, über bestimmte wichtige Themen unehrlich zu sein. Doch dieselbe verhüllte Zensur wirkt auch in Büchern und Magazinen, ebenso wie in Theaterstücken, Filmen und im Radio. Zu jeder Zeit gibt es eine Orthodoxie, ein Meinungssystem, von dem angenommen wird, daß es alle rechtdenkenden Leute ohne zu fragen akzeptieren werden. Es ist nicht eben verboten, dies oder jenes zu sagen, aber es ist »unschicklich« es zu sagen, so wie es zu viktorianischer Zeit »unschicklich« war, in Gegenwart einer Lady Hosen zu erwähnen. Jeder, der die herrschende Orthodoxie anzweifelt, sieht sich mit verblüffender Wirksamkeit zum Schweigen gebracht. Eine wirklich unzeitgemäße Meinung bekommt fast nie eine faire Anhörung, weder in der Volkspresse noch in den Intellektuellenmagazinen.
    Die derzeit herrschende Orthodoxie verlangt die unkritische Bewunderung Sowjet-Rußlands. Jeder weiß das, fast jeder handelt danach. Jede ernsthafte Kritik am Sowjet-Regime, jede Enthüllung von Tatsachen, die die Sowjet-Regierung lieber weiterhin verborgen sähe, ist nahezu undruckbar. Und diese landesweite Konspiration, unserem Alliierten zu schmeicheln, spielt sich sonderbarerweise vor dem Hintergrund echter intellektueller Toleranz ab. Denn darf man auch die Sowjet-Regierung nicht kritisieren, so steht es einem zumindest doch ziemlich frei, unser eigenes Land zu kritisieren. Kaum jemand wird eine Attacke gegen Stalin drucken, aber Churchill zu attackieren ist recht ris ikolos, jedenfalls in Büchern und Magazinen. Und über fünf Kriegsjahre hinweg, von denen wir zwei oder drei um das nationale Überleben kämpften, durften zahllose Bücher, Pamphlete und Artikel zugunsten eines Kompromißfriedens ungestört erscheinen. Mehr noch, sie sind erschienen, ohne großes Mißfallen zu erregen. Solange das Prestige der UdSSR nicht im Spiel ist, ist der Grundsatz der Redefreiheit leidlich gewahrt worden. Es gibt noch andere Tabu-Themen, und ich werde gleich einige davon beim Namen nennen, doch die herrschende Einstellung gegenüber der UdSSR ist bei weitem das bedenklichste Symptom. Sie ist, sozusagen, spontan und verdankt sich nicht dem Tun irgendwelcher Interessenverbände.
    Die Servilität, mit der der überwiegende Teil der englischen Intelligenz von 1941 an die russische Propaganda geschluckt und wiederholt hat, wäre recht erstaunlich, hätte sie sich bei mehreren früheren Gelegenheiten ganz ähnlich verhalten.
    Streitfrage auf Streitfrage ist der russische Standpunkt ausnahmslos akzeptiert und dann unter völliger Mißachtung historischer Wahrheit und intellektueller Redlichkeit publiziert worden. Um nur ein Beispiel zu nennen: die BBC feierte den fünfundzwanzigsten Jahrestag der Roten Armee, ohne Trotzki zu erwähnen. Das war in etwa genauso akkurat, wie der Schlacht von Trafalgar zu gedenken, ohne Nelson zu erwähnen, aber es löste bei der englischen Intelligenz keine Proteste aus.
    Bei den inneren Kämpfen in den verschiedenen okkupierten Ländern hat sich die britische Presse fast in allen Fällen auf die Seite der von den Russen begünstigten Partei gestellt und die Oppositionspartei verleumdet, wozu sie manchmal Beweise unterdrückte. Ein besonders krasser Fall war der von Oberst Mihailovic, dem Führer der jugoslawischen Tschetniks. Die Russen, die in Marschall Tito ihren eigenen jugoslawischen Protege hatten,
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